Wortspiel mit Kiel
Der VfB Stuttgart zittert sich zum Sieg - und Deutschland schafft den Deppenapostroph ab
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Das heutige Lamento geht schnurgrade wider die Taube, die mir am Bundesligasamstag direkt nach dem Verlassen des Zuges am Stuttgarter Hauptbahnhof zum Glück nicht ins spärlicher werdende Kopfhaar, aber doch voll auf den Ärmel geschissen hat.
Nun ist es geradezu ein Gemeinplatz, dass man in Berlin aufmerksam auf den Boden schauen muss, Stichwort Hundehaufen; das man im schönen Hamburg auf der Schanze, zumal mit dem Velo, die Glasscherben zu achten hat – in Stuttgart aber bitteschön immer den Blick gen Himmel, gen Haltestellenüberdachung, nach oben, weil: Tauben. Aber so direkt nach dem Aussteigen?
Ich werde meine Aufmerksamkeit noch weiter schärfen müssen, bitte aber darum, mir jetzt nicht damit zu kommen, das sei ja ein starkes Argument dafür, den Bahnhof unter die Erde zu verlegen.
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Bahnhof bedeutet auch Bahnhofsklo. Und hier gleich nächstes Lamento, Stuttgart und Heidelberg stellvertretend für unzählige Stationen auf der Anklagebank. Warum zahle ich einen Euro für den Zutritt, wenn dann doch alles verkackt, verpisst, zertreten und zerdeppert ist? Und bestialisch stinkt?
Wenn mich ein Kunde gegen Honorar mit der Pressearbeit beauftragt, dann hau ich doch auch nicht einfach eine Pressemitteilung über den dpa-Server raus, in der ich meinem Tourette freien Lauf lasse, Fäkalsprache und Beleidigungen in jeder Zeile. Weil wenn ich das mache, dann zahlt mir der Kunde nix, dann feuert der mich und belangt mich womöglich noch und stellt Schadensersatzforderungen.
Bei der Deutschen Bahn oder wer auch immer für die Bahnhofsklos verantwortlich ist, wer auch immer den Betrieb an irgendeinen externen Dienstleister vergeben hat, da handhaben sie die Sache offenbar anders. Da isses denen offenbar wurscht, dass die Toiletten permanent am Arsch sind.
Aber was ist auch zu erwarten in einem Land, in dem wir uns so arg mit dem Mittelmaß und noch weniger abfinden, dass wir nach jahrelanger Duldung des Apostrophs bei allen möglichen, nach dem Vornamen der Besitzerin oder des Besitzers benannten Läden, Nagelstudios, Kiosken, Imbissbuden jetzt einfach sagen: Okay, der Apostroph ist ab sofort erlaubt, ganz offiziell, Rat der deutschen Rechtschreibung erteilt Dispens, legalisiert, gibt frei.
Ab jetzt also Christian’s Kolumne hier bei Pit’s Fever Pit’ch. Herrje! Wo bleibt die Gegenbewegung, wann kommt die Welle der Entrüstung ob des mediokren Geweses überall, ob der Rechtschreibfehler in fast jedem Artikel in fast jedem Medium, Jobs mach ich nur noch, wenn ich Homeoffice darf, oder der Hund kann mit ins Büro.
Kein Wunder haben wir mediokren Menschen nur noch mediokre Politiker. Ein ganz besonders Mediokrer hat neulich den Göring rausgeholt, er hat Ambitionen auf ein erneutes Ministeramt im Bund, Ressort natürlich egal. Da bin ich noch am Überlegen, ob dieser Herr tatsächlich nur medioker oder nicht sogar gefährlich ist. Nochmal Herrje!
Punkte gegen Kiel holen
Genug Lamento jetzt, per aspera ad astra, schnurstracks zum herrlichen VfB Stuttgart, der nicht nur Turin kann sondern auch Kiel. Im Stadion beim knappen 2:1-Sieg gegen die Störche, da hatten die Fingernägel der Zuschauer keine gute Zeit. Da hatten sogar die Nagelbetten die Hosen gestrichen voll vor lauter Angst, angeknabbert zu werden ob des allgemeinen Gezitters auf den Tribünen.
Aber was zählt, ist auf dem Platz, nicht wahr, und dort hat der VfB eben gegen Kiel am Ende doch die Punkte geholt, anstatt sie von Kiel holen zu lassen. Und wenn der Applaus ob dieses ja nun doch naheliegenden Wortspiels verebbt ist, dann freuen wir uns auf den nächsten Sieg, diesmal im Pokal versus formidable Rote Teufelchen aus Kaiserslautern, deren Stadion ich jeder und jedem jederzeit anempfehlen darf, es ist toll auf dem Betzenberg wie auch in weiten Teilen der schönen Pfalz, zumindest in denen, wo sie ihren Wein anbauen. Manch finsteres Nebental sollte man hingegen lieber meiden, meine ich, weil dort eher Zustände wie im Wilden Westen, alle hundertpro bewaffnet, vgl. ländliches Texas.
Den dienstäglichen Pokalabend werde ich allerdings nicht in Stuttgart verbringen. Sie müssen wissen, nach dem Abendspiel mit der Eisenbahn aus Stuttgart wieder heim nach Heidelberg zu kommen quasi Ding der Unmöglichkeit. Daher groundhoppe ich heute auf den Bieberer Berg, der ja nun auch ein kleines Schmuckkästchen ist, und schaue mir die dortigen Kickers gegen den KSC an.
Berührungsängste selbstverständlich nicht vorhanden, auch wenn sie bei „meinem“ VfB in jedem Spiel „wir hassen Baden und den KSC“ singen. Dessen Präsident übrigens ein sehr guter Mann, das soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Wenn es sich ergibt, werde ich dem Holger die Hand schütteln und ein Bier mit ihm trinken.
Und wissen Sie was? Früher, in der dunklen Zeit, aus der wir kommen, da hätten wir gegen Kiel nicht gewonnen. Mit viel Glück Remis, aber im Zweifel am Ende noch verloren. Und dann Pfeifkonzert. So aber Sieg und Feierei in der vollen Hütte. Der VfB macht Spaß, auch wenn er nur ausreichend spielt und nur durch zwei tolle Tore gewinnt. Und demnächst, zum Abendspiel gegen Bergamo, da wird wieder in Stuttgart übernachtet.