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Was ist den Leuten der Fußball(er) wert?

Für ein DFB-Trikot zahlen wir schnell 100 Euro vor der EM. Aber wehe, ein kleiner Amateurverein bittet seine Mitglieder angemessen zur Kasse

Foto: Imago / Harry Koerber

Inhaltsverzeichnis

Am letzten Montag fand die halbjährliche Beiratssitzung des Berliner Fußball-Verbands statt. Der Beirat ist das höchste Organ zwischen den alle zwei Jahre stattfindenden Verbandstagen. Neben dem Präsidium sitzen dort vor allem die gewählten Vertreter der Vereine. Gerade einmal die Hälfte der Präsidiumsmitglieder war anwesend, ein Signal mangelnder Wertschätzung für die ehrenamtlichen Delegierten. Dabei gab es spannende Themen.

Zunächst ging es um so genannte Ausbildungsentschädigungen für Jugendliche, die bei einem Vereinswechsel Anwendung finden. Gerade in Ballungsräumen werben viele Vereine Spieler hemmungslos ab, was sich deutlich öfter negativ als positiv auf deren Entwicklung auswirkt.

In der Präambel der Jugendordnung steht diese Passage: „Geldzahlungen an einzelne Jugendspieler oder deren Eltern bzw. Berater sind zu verbieten. Hierzu gehören insbesondere Handgeldzahlungen, Auflauf- und Trainingsprämien, monatliche Finanz-Zuwendungen und Prämien für Punkte oder Tore.“

Wer sich im Jugendfußball auskennt, auch außerhalb von Berlin, wird jetzt laut auflachen. Oder fluchen. Denn seit vielen Jahren halten sich viele Vereine nicht an die Regel und werten diese bestenfalls als Empfehlung. Schon bei 15-jährigen fließen Prämien, schon für 12-jährige erhalten Eltern für Wechsel oder Verbleib Handgelder. Zu beweisen ist das fast nie, denn natürlich laufen derlei Praktiken an den Verbänden und Finanzämtern vorbei. Es gibt aber so viele glaubhafte Berichte über dieses Treiben, da bleiben kaum Zweifel.

Die Verbände zucken mit den Schultern, obwohl die meist lange im Geschäft agierenden Funktionäre genau wissen, wo die schwarzen Schafe sitzen. Da Berlin bisher keine offizielle Regelung für Ablösen, äh Ausbildungsentschädigungen hatte, wurde am Montag beschlossen, auch bei uns die DFB-Liste (auf Seite 8 der Jugendordnung) zur Anwendung zu bringen. Man darf gespannt sein, welche Auswirkungen das hat.

Gleichwohl haben die üblichen Verdächtigen schon immer Wege und Mittel gefunden, ihre Wunschspieler zu bekommen. Die abgebenden Vereine haben die Möglichkeit, die Freigabe zu verweigern. Dann kann ein wechselnder Spieler bei einem Weggang im Sommer erst im November für den neuen Verein spielen, da ist ein Viertel der Saison um. Also werden die Scheine gezückt und die Freigabe erteilt. Ob das Geld immer in der Jugendkasse des abgebenden Clubs landet, ist noch mal einen eigenen Artikel wert.

Dann gab es die Nachricht, dass die Politik beabsichtigt, die zusätzlichen Mittel für die dringend nötige Sportstättensanierung zu halbieren. Christian Lindner lässt grüßen und hat scheinbar keinerlei Vorstellung über den positiven Einfluss des Breitensports auf die Gesellschaft. Naja, Hauptsache Berlin hat künftig ein Drittligastadion, wenn man schon keinen Drittligaverein hat. Immer wieder erstaunlich, dass für Prestigeobjekte genug Geld da zu sein scheint, während die Amateure darben müssen. Doch da sich niemand wirklich aufregt, geht das elitäre Treiben wie schon seit Jahrzehnten munter weiter.

Über die allgemeinen Finanzen des Verbands wurde vom Präsidium erst auf Nachfrage berichtet. Die Aussagen hatten es dann aber in sich. Die Vereine müssten sich perspektivisch auf deutliche Erhöhungen der Beiträge an ihren Verband einrichten. Denn dieser müsse künftig mehr an den Dachverband, den Landessportbund, zahlen. Auf die Frage, wie es denn im Sponsoring laufe, verwies man auf schwere Zeiten bedingt durch die Pandemie. Es gäbe zurzeit keine gute Konjunktur für Sponsoring. Eine Crowdfunding-Aktion für den Drumbo-Cup, Deutschlands ältestes und größtes Schulturnier, schmierte gar völlig ab.

Zwar stellen wir beim FC Internationale genau das Gegenteil fest, aber wahrscheinlich sind wir einfach Glückskinder. Wobei? Vielleicht hat es auch etwas mit dem gesellschaftlichen Engagement und der Außendarstellung zu tun. Aber nein, das ist nun wirklich abwegig!

Die Vereine werden künftig also deutlich mehr für ihren Verband aufwenden müssen. Nun sind die Summen in meinen Augen nicht so dramatisch, schließlich haben viele Bezirks- und gar Kreisligisten Geld genug, auch minderbegabten Fußballern Punktprämien zu zahlen. Beim Handball ist es übrigens nicht besser, selbst beim Tischtennis soll mancherorts Geld fließen.

Dennoch können sich viele Vereine nicht vorstellen, ihre Mitgliedsbeiträge zu erhöhen. Einige haben Beiträge von unter 150 Euro im Jahr. Zum Vergleich: Die Versicherung für mein kleines altes Auto (nicht mal Vollkasko) kostet ein Vielfaches. Und gilt die Inflationsrate für Sportvereine nicht?

Der Breitensport ist vielfach immer noch der „billige Jakob“. Während ein Saisontrikot des Tabellendritten der abgelaufenen Bundesligasaison mehr als 100 Euro kostet, manche Fußballschuhe jenseits der 150 Euro angesiedelt sind, soll der Vereinsbeitrag weiterhin auf niedrigstem Niveau bleiben. Das ist schlicht und ergreifend absurd.

Ich will hier gar nicht über die SUVs der Eltern, Dreifach-Urlaube und Markenkleidung schwadronieren. Die Frage ist aber:

Was ist uns der Sport im Verein wert?

Es gibt Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die kommen viermal in der Woche auf unsere Plätze. Unser Jugendbeitrag liegt bei immerhin 276 Euro. Rechnen wir Ferien und Krankheit ab, kommen die Vielfußballer auf rund 1 Euro pro Termin. Da Trainer vor und nach dem Training oder Spiel mindestens eine halbe Stunde da sind, kommen sie also auf ca. 2,5 Stunden pro Trainingstag, was dann einem durchschnittlichen Beitrag von 40 Cent pro Stunde entspricht. Wirklich Wahnsinn, wie der Sportverein seinen Mitgliedern das Geld aus der Tasche zieht.

Bei der letzten Beitragserhöhung bei uns im Verein musste ich mir von einem Mitglied mit Eigentumswohnung in allerbester Lage soziale Kälte vorwerfen lassen. Nun springe ich nicht über jedes Stöckchen, das mir hingehalten wird, aber Vorstandskollegen aus anderen Vereinen berichten Ähnliches.

Wir müssten dringend am Image und der Wertschätzung des Amateurfußballs arbeiten. Womit wir wieder beim Einstieg des Textes wären. Nicht, dass ich glaube, die kreativen Ergüsse des DFB und seiner Agenturen („Fußballzeit ist die beste Zeit!!!“ oder „Echt Profis – unsere Amateure!“) würden etwas zum Besseren wenden. Ein Blick auf die heruntergekommene Infrastruktur lässt ebenfalls Zweifel aufkommen, der Amateurfußball würde mit Macht nach vorne lobbyiert.

Aber auch wenn viele über die Verbände schimpfen, wir können ohne sie nicht leben und keinen Spielbetrieb durchführen. Besser wäre, wir werden uns darüber klar, dass es unsere Verbände sind. Wir müssen uns um sie kümmern. Auch indem wir uns dort engagieren und von den Funktionären verlangen, sich stärker für den Amateurfußball einzusetzen. Tun sie das nicht, sollten wir uns für die nächsten Wahlen nach Alternativen zu ihnen umsehen. Das Ganze nennt sich übrigens Demokratie.

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