zum Inhalt

Vielen Dank für Königsklasse auf Stuttgarter Art

Wenn die Freude über spannende Champions League-Spiele in spannenden Städten in Frust umschlägt. Und warum.

Foto: privat

Inhaltsverzeichnis

Häufig wird dieser Tage die Schuldfrage gestellt. Wer’s verbockt hat. Oder andersrum: Bei wem darf ich mich bedanken für den ganzen Scheiß? Und normalerweise geht es da um so eher generelle Themen von allgemeiner Bedeutung: Wer ist schuld daran, dass unser Land langsam aber sicher verlottert und verrottet, und dass die Dinge hier aktuell in etwa so funktionieren, wie man sich, sammermal, Albanien in den späten Achtziger Jahren vorgestellt hat. Oder Griechenland in den frühen. Halt ohne schönes Mittelmeer. Dass ich zum Beispiel, wenn ich mit der Eisenbahn aus der Schweiz nach Deutschland komme, in Schaffhausen auf deutscher Seite erstmal quasi automatisch stehenbleibe, um eine Grundverspätung von mindestens fünf Minuten auf- und diese im weiteren Verlauf dann beständig weiter auszubauen. Und dass ich beim Blick aus dem Fenster gleich nach der Grenze lauter verfallene alte Eisenbahnwagons rumstehen sehe auf toten Gleisen, vom Gras und Gestrüpp überwuchert. Huckleberry Finn Hilfsbegriff. 

Bevor jetzt aber hier vom Oggersheimer über die christsozialen Verkehrsminister und Mutti bis hin zu den grünroten Bähmullen, dem fliegenden Friedrich und der gesamten syltliberalen Mischpoke mit den zu engen Anzügen und zu kurzen Hosen alle beschimpft werden, die jahrzehntelang jedwede Modernisierung verhindert und uns mit ihrer nur auf Pfründensicherung bedachten Fortschrittsverweigerung nach dem Motto „Nach uns die Sintflut“ hier her dilettiert haben, springe ich übergangslos rüber zum Fußball. Als so genannte wichtigste Nebensache der Welt ist dieser ja nun auch mindestens generelles Thema von sogar noch deutlich mehr als allgemeiner Bedeutung. 

Hurra, Madrid! Und YB macht glücklich

Und ganz ähnlich dem Heulen und Zähneklappern ob des nahenden Endes aller Welten ist auch hier die Laune schlecht. Die Laune, die unlängst noch so gut war, überragend war sie – denn der VfB Stuttgart, Baden-Württembergs größter Verein, hatte sich nach langer Zeit der Dürre und Dunkelheit mit großartigem Fußball nicht nur in unser aller (!) Herzen, sondern auch direktemeng in die Champions League hineinbegeistert. Vier Heimspiele und vier Auswärtsspiele nach neuem Reglement garantiert, acht verschiedene Gegner, für vom ganz alten Adel zum Emporkömmling verkommene Clubs wie uns Schwaben das neue Regelwerk super Sache. Der neue Schwabenweg quasi, zurück ins Licht. Eigentlich.

Nachdem man die lange Zeremonie der Auslosung inkl. Auftritt der alten Haudegen mitverfolgt hatte, wusste man als VfB-Nase zwar, dass es, Hurra, gegen Real Madrid ginge und gegen Juventus Turin, und dass wir zu meiner ganz persönlich großen Freude auch gegen die Young Boys Bern gelost wurden („YB macht glücklich“), aber ob diese Spiele in Stuttgart oder auswärts stattfinden würden, das wusste man nicht. Und als man es zwei Tage später dann wusste, kam die große Desillusion: Besitzer einer Dauerkarte hatten zwar Vorkaufsrecht, aber Mitglieder ohne Dauerkarte mussten sich für jedes Heimspiel einzeln bewerben – und zwar um 1 (in Worten: eine) Karte. Also nix mit dem Kumpel, der Frau, dem Sohn, der Mutter. Und auswärts? Ebenfalls nur Bewerbung auf 1 Ticket möglich. Und bei einem Gästekontingent in Madrid von ca. 4.000 Karten die Wahrscheinlichkeit auf einen Sechser im Lotto deutlich höher. Zumal es auch nicht jedermanns bzw. jederfraus Sache ist, im Gästepulk von der freundlichen Guardia Civil ohne Umschweife ins Stadion hineineskortiert und drangsaliert zu werden. Und ganz normal über den gastgebenden Club eine Eintrittskarte zu erwerben ist in der Champions League für Menschen aus dem Land des Gästeclubs verboten.

Danke Eintracht. Danke VfB. Für nichts.

Wem danke ich jetzt dafür, dass es mir als unbescholtener Bürger mittleren Alters nicht nur erschwert, sondern direkt verunmöglicht wird, ins Estadio Santiago Bernabeu zu gehen, um dort den VfB zu sehen? Ich glaube, wir müssen den Freundinnen und Freunden aus Frankfurt danken, die seinerzeit mit ihrer Eintracht auf Europareise gegangen waren und dabei mit einer Mischung aus Findigkeit und Feindseligkeit die Stadien der jeweils gastgebenden Vereine wie selbstverständlich übernommen haben. Und, Stichwort Turin, der Italiener hatte ja nun schon vor den Frankfurter Aktivitäten keinerlei Skrupel, Gästen aus dem Gastland die Tickets kurzerhand zu stornieren. Da kannte der schon früher nix.

Weil man aber wie geschrieben nicht mehr 16 ist sondern beinahe 60, gab es noch die Hoffnung darauf, dass der VfB Reisen im etwas gehobenen Rahmen anbietet. Gold, Silber, Bronze hießen diese Dinger früher, in grauer Vorzeit, als wir noch gegen Barcelona und Glasgow und United spielten, lang ist‘s her. Drei Tage mit der Mannschaft, Bankett nach dem Spiel, bis hin zu Busreise und nachts direkt wieder heim, so war das damals. Von relativ billig bis ziemlich teuer. Und heute? Da bringen die Stoffel vom VfB gar nichts mehr raus, keinerlei Angebot für die Fans, höchstens ein paar Pakete direkt an die Sponsoren, ab 5.000 Euro wahrscheinlich. Da sind wir original ein Klepperlesverein, und deshalb sag ich an dieser Stelle auch mal laut „Danke VfB. Für nichts.“ Und mach mich jetzt weiter auf die Suche nach einer Entrada fürs Bernabeu. Weil dass ich da hingehe, das steht natürlich völlig außer Zweifel. Schließlich habe ich im Bernabeu schon den kroatischen Kickersmann Robert Prosinecki spielen sehen. Und „El joven Raul“. Und „Hugol“ Sanchez und Ivan Zamorano. Das wäre doch gelacht.  

Kommentare

Aktuelles