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VfB Stuttgart: Ein Thema für die Tagesthemen

Baden-Württembergs größter Verein spielt zum Saisonstart so schlecht, dass bis auf weiteres außersportliche Themen interessanter bleiben

Ermedin Demirovic schlägt's auf den Magen. Foto: Imago / Sportfoto Rudel
Ermedin Demirovic schlägt's auf den Magen. Foto: Imago / Sportfoto Rudel

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Nach dem miserablen Saisonstart des VfB Stuttgart ausgerechnet bei den Sportsfreunden aus Freiburg lautete die Devise „Erstmal durchschnaufen und dann Pokalaus“. Zumindest schrieb mir das einer bei Twitter – und angesichts der samstäglichen Leistung der Schwaben war es gar nicht mal so weit hergeholt, gleich mal das Erstrundenaus im Pokal am heutigen Dienstag bei Preußen Münster zu prognostizieren.

Schließlich gehören neben permanenter Selbstüberhöhung vor allem Fatalismus und Dauerbruddeln  in Stuttgart  zur DNA, „#vfbsein“ heißt das heutzutage im Social Media-Sprech. Ganz in diesem Sinne ertönen bereits aus mehreren Richtungen die Forderungen (und Stand 26. August auch schon die erste Erfolgsmeldung) nach sofortiger Nachverpflichtung mindestens eines gestandenen Innenverteidigers für mindestens etliche Millionen Euro, um die Zeit bis zur Rückkehr der zahlreichen Maladen nicht mit dem jungen Japaner Anri Chase oder anderen eigenen Kräften überbrücken zu müssen. Wobei ebenjener Chase in Freiburg nach seiner Einwechslung noch einer der besseren Spieler war.

Aber Geld bzw. kein Geld war beim VfB höchstens einmal unter Magath das Problem, und es resultierte in den so genannten „jungen Wilden“ inklusive dem rauschenden Sieg über Manchester United am Mittwoch, dem 1. Oktober 2003 – kein VfB-Mensch ausreichenden Alters wird dieses Spiel jemals vergessen.

Mysterium Gomez-Millionen

Zu den jungen Wilden gehörte vor zwanzig Jahren auch ein gewisser Mario Gomez, dessen Weiterzug zum FC Bayern 2009 nicht nur für übertrieben geschwollene Kämme bei vielen Fans sorgte, sondern auch für einen warmen Geldregen auf die klammen schwäbischen Kassen. Die so genannten „Gomez-Millionen“, allermindestens 30 sollen es gewesen sein, sind freilich bis heute Stuttgarter Mysterium. Denn das rückstandslose Versickern und Verbraten dieser Millionen konnte einem schon seinerzeit niemand erklären – und auch bis dato sind schlüssige Erkenntnisse schlichtweg Fehlanzeige.

Aber angesichts der jüngsten Transferaktivitäten der Herren Wohlgemuth und Wehrle drängt sich der Verdacht auf, dass einer der beiden diesen sagenhaften Schatz in einem Cannstatter Keller gefunden hat, Bundeslade nix dagegen. Denn die ebenfalls nicht unbedeutende Summen, die Investor Porsche für Anteile an der VfB Stuttgart AG in zwei Tranchen überweist, sollen ja angeblich nicht in Spieler, sondern ins Eigenkapital wandern, also quasi in Steine statt in Beine.

Da dürfen wir doch gespannt sein, ob unsere Spieler demnächst alle in goldenen Bentleys durch die Innenstatt rollen, oder ob ein Bentley trotz höggschden Werterhalts eher der Sektion Beine zugerechnet wird als der Sektion Steine.

Die Sache mit den Finanzen wird interessant bleiben – wie bereits geschrieben vor allem dann, wenn die erneute Qualifikation für die Champions League nicht gelingen sollte. Und welcher fatalistische schwäbische Dauerbruddler wollte nach dem Auftritt in Freiburg ernsthaft an eine erneute Qualifikation glauben?

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Von Gönner zu Günther?

Auch an anderer außersportlicher Stelle ist Spannung beim VfB garantiert. Denn neulich flatterte die Ankündigung zur Mitgliederversammlung ins Haus, die voraussichtlich im kommenden März stattfinden soll, also nicht mal neun Monate nach der letzten. Die „Iden des März“, seit 44 v. Chr. eine gebräuchliche Metapher für drohendes Unheil – und auch beim VfB Stuttgart, dem nach Mitgliederzahl laut einschlägigen Rankings sechzehntgrößten Verein der Welt, ist mit Unheil auf einer jeden Mitgliederversammlung jederzeit und immer zu rechnen.

Hauptthema heuer sicherlich die Wahl eines neuen Präsidenten oder einer neuen Präsidentin und daran angeschlossen gleich auch die Frage, wer künftig dem VfB-Aufsichtsrat vorsitzen soll. Auf beiden Positionen, Präsidentenamt und Aufsichtsratsvorsitz, befinden sich aktuell Personen, die dieses Amt nach eigenem Bekunden nurmehr interim (Präsident Dietmar Allgaier) bzw. als „Übergangslösung“ (ARV Tanja Gönner) bekleiden.

Abzuwarten bleibt nicht nur, welche Kandidaten/Kandidatinnen die Vereinsseite zur Wahl präsentiert – auch die Frage ist zu klären, ob Präsidentschaft und Aufsichtsratsvorsitz dann wieder in Personalunion geführt werden. Solange die Mannschaft auf dem Platz vorne mitspielt und tollen Fußball zeigt, sind diese Fragen für die große Mehrzahl der ca. 110.000 Vereinsmitglieder nicht relevant. Mitglieder sind Mitglieder, weil sie so besser an Tickets kommen.

Sollte aber beispielsweise ein Günther Oettinger als Präsidentschaftskandidat zur Wahl antreten, wäre Musik drin und Butter bei die Fische. Dann wären tägliche Schlagzeilen garantiert, von Gönner zu Günther, die Politik wäre im Spiel, heißa und hurra, was wäre das für ein Geschrei. Ex-Ministerpräsident und EU-Kommissar Oettinger um keinen scharfen Satz verlegen, keinem Disput aus dem Weg gehend, Aufsichtsratsvorsitz in Personalunion natürlich inbegriffen.

Die Personalie Günther Oettinger wird beim VfB seit etlichen Wahlen immer wieder ins Spiel gebracht und ist auch jetzt wieder zu vernehmen. Günther freilich jetzt frei von allen Zwängen und Ämtern, trotzdem immer noch gerne am Rad drehend, es würde passen. Zumal dann ausschließlich über seine Beratungsmandate, seine Politik, seine Skandälchen und Pizza-Affären palavert werden würde und die Mannschaft weiterhin in aller Seelenruhe arbeiten könnte.

Ob Oettinger und die derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende Gönner sich politisch noch allzu gut verstehen, ist nach etlichen Grabenkämpfen in der Südwest-CDU unklar. Aber allein vom honoratiorenschwäbischen Sprachduktus her wäre der Übergang von Gönner zu Günther geradezu fließend. Und weil man, wie nicht nur der Schwabe sagt, im Leben niemals aufhören sollte zu lernen, hat sicher auch Alex Wehrle nichts einzuwenden gegen die Personalie Günther Oettinger.

Denn selbst der um keine Intrige verlegene VfB-CEO könnte sich immer noch mehr als eine dicke Scheibe abschneiden von den Tricks und Kniffen eines jahrzehntelang in der hohen und ganz hohen Politik agierenden Vollprofis wie dem Ex-Ministerpräsidenten. Dann ist der VfB nicht mehr nur erster baden-württembergischer Bundesligist bei den Berichten im SWR-TV-Format Sport im Dritten. Dann ist der VfB ein Thema für die Tagesthemen.

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