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VfB Stuttgart – das Jahr danach

Baden-Württembergs größter Verein ist und bleibt ein spannendes Projekt, wenn auch eines mit vielen Fragezeichen

Trainer Sebastian Hoeneß bei seinen VfB-Jungs. Foto: Imago / Sportfoto Rudel
Trainer Sebastian Hoeneß bei seinen VfB-Jungs. Foto: Imago / Sportfoto Rudel

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Das mit dem Abgang zahlreicher Leistungsträger kannten sie in Cannstatt schon aus der Vorsaison. Mit Wataru Endo „Legendo“, mit Borna Sosa und der griechischen Kante Konstantinos Mavropanos waren vor Schließung dieses dämlich lang geöffneten Transferfensters die wichtigen Spieler verkauft worden. Das Saisonziel somit Klassenerhalt, sonst gar nix. Und dann kam es ganz anders.

Genauer gesagt, kam eine überragende Saison mit dem zweiten Platz, der durchaus auch ein Erster hätte sein können, die 100.000 Mitglieder-Marke wurde locker geknackt, mit Mercedes und Porsche waren die aus schwäbischer Sicht bestmöglichen Investoren an Bord – und dann haben die Damen und Herren Funktionäre nichts Besseres zu tun, als ihre Brusthaarduelle in aller Öffentlichkeit auszufechten, wobei den Damen das natürlich nicht unterstellt sei, die gehen zwar nicht minder fies, aber doch anders ins Gefecht.

Aus den Gräbern des Friedhofs der Funktionäre hatten sich längst die Untoten erhoben, um späte Genugtuung einzufordern. Wilfried „Palpatine“ Porth, Martin „Porno“ Schäfer et.al., Aufsichtsräte, Ehrenräte aller Klassen, vereinigt Euch! Nehmt Rache am Präsidenten Claus Vogt, dem „Fensterputzer aus Böblingen“, der Euch dereinst abgesägt und dem VfB Stuttgart das Tor in eine bessere Zukunft weit aufgestoßen hatte. Denn eine bessere Zukunft ohne Euch, ohne Porno und Palpatine, das ist keine Zukunft. Zumindest nicht in Stuttgart und schon dreimal nicht beim VfB, diesem Vergnügungsraum für Profilneurotiker, die nicht mit ihrem eigenen, sondern mit dem Geld der sie bezahlenden Unternehmen ins Licht drängen. Es sind große Unternehmen, erfolgreiche Unternehmen. Da macht man doch den VfB, des bissle Fußball, mit dem kleinen Finger der linken Hand.

Teppich-Etage brutal

Und so begab es sich, dass auf einer denkwürdig würdelosen Mitgliederversammlung im Juli 2024 der erst 2023 mit großer Mehrheit im Amt bestätigte Präsident des sportlich und wirtschaftlich und überhaupt besten VfB Stuttgarts aller Zeiten und Menschen mit 84 komma ungrad Prozent der Stimmen der anwesenden 2.000 Mitglieder vorzeitig vom Hof gejagt wurde wie ein räudiger Hund. Nicht mal die verbleibenden ca. neun Monate bis zum regulären Ende seiner Amtszeit wollten ihm die Mitglieder zugestehen, Mitglieder, die der noch in dunklen und längst überwunden geglaubten Zeiten amtierende Sportchef Michael Reschke einst unter bundesweit höggschdem Medienecho bzw. Aufschrei als „ahnungslose Vollidioten“ bezeichnet hatte.

Große Teile des VfB-Aufsichtsrats im Verbund mit den Investorenvertretern und den Zombies aus der dunklen Zeit hatten den sicher nicht unfehlbaren, aber im Vergleich zu manchem seiner Vorgänger doch bitteschön durchaus brauchbaren Präsidenten unter tätiger Mithilfe der organsierten Fanszene und etlicher sich berufen fühlender Mitglieder kalt abgesägt in einer Art und Weise, die beim VfB Stuttgart ebenso dauerpräsent ist wie bei vielen anderen so genannten Traditionsclubs, wo Mitglieder meinen, es besser zu wissen und auch besser zu können, und wo sie es mit allzu selbstgerechtem Eintreten für mehr Mitgliederrechte und ähnliche geradezu folkloristisch anmutende Elemente nur noch schlimmer machen. Als ob Mitgliederrechte und überall mitschwätzende Mitglieder in einer knallharten und milliardenschweren Arschlochbranche wie dem Profifußball irgendwas besser machten.

Aber den dunklen Herren beim VfB inklusive Chefintrigant und CEO Alex Wehrle kamen unsere Supermitglieder gerade recht. Nur weg endlich mit dem nervigen Präsi, der immer mal mit so komischen Fragen kam, und der nicht jeden noch so unsinnigen Scheiß einfach abnickte in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsvorsitzender in Personalunion. Geben wir den Mitgliedern mit dem „Wahlausschuss“ einfach noch ein weiteres Scheingremium, in das sie noch mehr profilneurotische Wichtigtuer wählen können, die dann wiederum auch jeden zweiten Tag irgendwelchen Journalisten irgendwelche pseudowichtigen aber tatsächlich superbelanglosen Sachen stecken können, ihr Ego streicheln, im Clubsakko im Businessbereich, living the good life.

Und jetzt haben wir für ein paar Monate einen Interimspräsidenten, dem Aufsichtsrat sitzt Tanja Gönner vor, einst als Frau fürs Grobe des ganz und gar nicht großartigen Ministerpräsidenten Stefan Mappus als „Schwarze Mamba“ bekannt geworden, vor der hatten sie sogar in der CDU Angst. Sportdirektor Wohlgemuth wurde zum Vorstand befördert und verdient jetzt, der profunden Branchenkenntnis der Schwarzen Mamba sei Dank, das Dreifache, so viel, dass er sogar seinen CEO Wehrle damit übertrumpfte, der dann natürlich auch die Bezüge anpassen lassen musste. Weil: Welcher CEO verdient bitteschön weniger als sein Vorstandskollege? Versteht sich, dass dem mitintrigierenden Marketingvorstand Kasper bereits Ende des vergangenen Jahres ebenfalls ein Phantasiegehalt zugestanden wurde, so viel wird er vermutlich nicht mal beim FC Bayern bekommen, dem Klub, zu dem er angeblich ohnehin zurückdrängt wie alles zum Golde beim Goethe. Als ob die Vorstände nicht schon für den Porsche-Einstieg so viel Provision bekommen hätten, dass kaum mehr Platz ist in ihren vollen Taschen. Champions League-Falle, here we go.

Saisonprognose einstellig

Und sportlich? Der Superstürmer Guirassy ist weg, die Defensivpfeiler Anton und Ito sind weg, da hatten manche gehofft, der Porsche werfe die Millionen rein und halte den Kader wenigstens für ein Jahr Champions League beisammen. Aber falsch gedacht, die sportliche Führung beim VfB plante eher schwäbisch und ließ sich nicht aus der Reserve locken. Mit dem langen Bremer Woltemade wurde zudem ein bezahlbarer Spieler geholt, der vielleicht kein Weltstar-Potenzial hat, der aber immerhin ein Publikumsliebling wie einst Silas werden könnte. Und weil man für die Champions League dann doch wenigstens etwas Erfahrung und Klasse braucht, kam der Torjäger Demirovic, auch er nicht eben unbeholfen im Umgang mit den Fans. Weiterhin verfügt der VfB für die anstehende Saison über etliche Nationalspieler und Fast-Nationalspieler gestandener Fußballnationen, im Tor darf, von Bayern Münchens Gnaden, Alexander Nübel zunächst mal auch weiterhin die Bälle halten – also steht nicht zu befürchten, dass aus Stuttgart Union Berlin wird und das Abstiegsgespenst vor der Türe lauert. Und dann ist da natürlich noch unser aller Deniz Undav, für Porsche-Vize Lutz Meschke bzw. dessen arg übersteigertes Ego das absolute Must Have, für den ging er All In, auch gegen den Wunsch der VfB-Leute und angeblich auch gegen den Wunsch der Porsche-Leute, die lieber in Steine statt in Beine investiert hätten.

Trainer Sebastian Hoeneß hat also einen Kader beisammen, der womöglich in der Bundesliga einen einstelligen Tabellenplatz erreichen und vielleicht auch Richtung internationales Geschäft kleine Ambitionen hegen kann. Wenn alles gut funktioniert, und wenn die zu erwartenden Demütigungen in der Champions League den Jungs nicht den Kopf kaputt machen. Dem Supercup sollte man hier genauso wenig Bedeutung beimessen wie den „Season Openings“, heuer das 4:0 gegen Bilbao, einst war’s mal ein 4:2 gegen ManCity, danach stiegen wir ab. 

Spannend wird’s dann noch mal, wenn die Mannschaft nicht wieder in die Champions League kommt. Denn dann sind die Gehälter immer noch hoch, nur auf der Habenseite werden die Zahlen rasch kleiner. Für Porsche und Co wäre es kein Problem, da nochmal richtig nachzulegen. Kein Problem, einen echten Fünfjahresplan aufzustellen, mit 100.000 Mitgliedern als Fans und Kohle ohne Ende. Nicht mehr #wirpackenschalke sondern #wirpackenbayern. Das wäre, um es mit Fritz von Thurn und Taxis zu sagen, ein Ding. Wird aber nicht passieren, denn zu solchen Moves ist ein Traditionsverein mit all seinen internen Irrungen und Wirrungen nicht in der Lage. Sind wir also gespannt auf die vor uns liegende Saison. Und natürlich gilt trotz allem: #NurderVfB!

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