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Van Wonderen oder blaues Wunder?

Der neue Schalke-Trainer hat einen klangvollen Namen. Aber nicht so einen prominenten wie Raúl. Van Wonderen muss die Skepsis beiseite räumen

Foto: Imago / ANP

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Kees van Wonderen löst keine Begeisterung aus. Der 55-Jährige ist hierzulande eine Unbekannte, die aber wie alle anderen zuvor eine Chance verdient hat.

Der neue S04-Coach bringt einen klangvollen Namen mit: Cornelius Henricus van Wonderen. Cornelius ist lateinischen Ursprungs und bedeutet so viel wie „der Gehörnte“ - die niederländische Kurzform ist Kees. Henricus steht für „Herrscher des Hauses“. Und Wonderen für - Überraschung - „Wunder“ hat natürlich auch was Zauberhaftes.

So melodisch der Name, so wenig macht Kees van Wonderen zunächst mit den Schalker Fans und Medien in Deutschland. Am Samstagabend hatte ihn die Bild-Zeitung rund um das Spiel gegen Hertha BSC in einer Loge abgelichtet, das Geheimnis um Mister X war gelüftet.

Es gab bekanntere Namen, die zuvor diskutiert worden waren. Von Raúl über Fernando Torres bis hin zu Urs Fischer, den Sky-Experte Thorsten Mattuschka am Rande des Hertha-Spiels spontan, aber vergebens, in den Ring geworfen hatte.

Am Ende hielt dann wieder der Realismus Einzug auf Schalke. Der bis dato unbekannte Van Wonderen, der bis zum Sommer beim SC Heerenveen unter Vertrag gestanden hatte und dort nicht verlängern wollte, leitet ab sofort die Geschicke. Sein wohl größter Erfolg als Trainer ist der WM-Titel mit der U17 der Niederlande in der Saison 2017/2018.

Beim Blick in die Kommentarspalte bei „X“ unter der Veröffentlichung des Vereins nehme ich größtenteils respektvolle und wertfreie Stimmen wahr: „Glück auf“, Willkommen auf Schalke“ oder „viel Erfolg“ heißt es zum einen.

Zum anderen gibt es skeptischere Äußerungen: „Weiß auch nicht, was ich davon halten soll, aber jeder hat eine faire und unvoreingenommene Chance verdient“, „Wenns gut läuft bis Weihnachten“ oder „Und dafür hat man Geraerts entlassen.. Naja, mal schauen.“

Logisch, dass die S04-Anhänger beim 15. Trainer seit 2011 nicht mehr an eine langjährige Partnerschaft glauben wollen. Was ihnen zudem Bauchschmerzen bereitet, ist die Spielphilosophie des Niederländers: „Defensiv und langweilig“, soll diese sein, wie „Sky“ aus Deutschlands Nachbarland erfahren habe.

Van Wonderen, der auf ein 4-3-3 mit offensiven Außenverteidigern stehen soll, erklärt seinen Ansatz gegenüber "Schalke-TV" wie folgt: „Meine Mannschaften müssen organisiert sein, aber ich liebe und erwarte auch die Initiative von hinten. Wenn wir angreifen oder verteidigen, machen wir das alles zusammen. Die Verteidigung fängt beim Stürmer an und wenn wir einen Angriff starten, fängt das mit der Verteidigung an. Es ist ein Spiel mit höchster Intensität, aber sicher auch offensiv.“

Da, liebe Schalke-Fans, habt ihr das Wort, das ihr hören wollt: offensiv. Spaß beiseite: Auch ich möchte von S04 mutigen, gestalterischen und vor allem torreichen Fußball sehen. Reiner „Malocher-Fußball“ und fehlender Esprit sind mir auch zuwider. Doch müssen sich Offensivspektakel und Kompaktheit ausschließen? Nein.

Mir wird grundsätzlich – nicht nur bei S04 – rund um eine Bekanntmachung eines neuen Trainers zu viel Bohei um die Begriffe Spielsystem und Spielphilosophie gemacht. Die wenigsten modernen Fußballlehrer geben nur strikt ein System vor oder wollen 90 Minuten den Bus parken. Etwaige Vorverurteilungen, dass van Wonderen überspitzt gesagt den Schalker Kasten vernageln will, finde ich unangebracht. Ein Zwischenfazit bezüglich seiner Spielprinzipien sollte frühestens zur Winterpause gezogen werden.

„Ich bin kein Harry Potter, wir können nicht zaubern. Wir wollen jeden Tag einen Schritt machen“, erklärt van Wonderen. Den ersten will er mit dem Schalker Team an diesem Montag machen. Zwei Wochen Länderspielpause stehen dem gelernten Innenverteidiger van Wonderen zur Verfügung, um die wackelige Defensive der Königsblauen (19 Gegentore in acht Spielen) zu stabilisieren. Dann geht es auswärts gegen Hannover 96.

Keiner weiß zum jetzigen Zeitpunkt, ob sich nicht auch „der Gehörnte“ mit 55 Jahren am FC Schalke 04 noch mal die Hörner abstoßen wird. Jeder neue Schalke-Trainer birgt ein Risiko – in erster Linie für sich selbst, aber auch für den Klub. Kaum ein Trainerstuhl ist so heiß wie der auf Schalke.

Gut möglich, dass beide Parteien nach fünf, acht oder elf Monaten ihr blaues Wunder erleben. Genauso möglich ist es aber, dass sich die Fans in einigen Wochen verwundert die Augen reiben, wie ansehnlich der Fußball unter van Wonderen doch ist. Bis 2026 hat der Niederländer unterschrieben. Schauen wir mal, was wird.

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