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Ăśberstunden im FuĂźball: 10 Millionen Ehen in Gefahr?
90+7, 90+8, 90+9 – die Spiele dauern immer länger. Fußballfans sind genervt und ihre Partner erst recht
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Ich liebe FuĂźball wirklich, aber diese neue Noch-mehr-Nachspielerei geht mir langsam auf die Nerven.
Nehmen wir das vergangene Wochenende. Am Sonntag dauerte die erste Hälfte des Spiels Frankfurt-Dortmund sage und schreibe 53 Minuten und 13 Sekunden. Samstag endete die letzte Begegnung des Nachmittags – das 2:3 der Stuttgarter gegen Hoffenheim – um 17.30 Uhr. Auch erst um 17.23 Uhr pfiff Schiri Martin Petersen das 8:0 des FC Bayern ab.
Warum zum Teufel muss ein 8:0 gegen Darmstadt acht Minuten länger dauern als geplant, fragte ich mich.
Vermutlich stellen sich Millionen emotional unbeteiligter Lebenspartner solche Fragen immer häufiger, denn das Ganze verschlimmert sich zusehends. Dank Fifa werden Spiele und damit die Nettoabwesenheiten der Fußballfans vom Regel-Beziehungsbetrieb von Jahr zu Jahr länger.
Das kann nicht gutgehen. Ich rechne mit Rekordscheidungszahlen in naher Zukunft – über die Hälfte der rund 18 Millionen Ehen und unzähliger Beziehungen in Deutschland ist gefährdet. Der Dialog geht dann ungefähr so:
„Schatz, geht’s noch lang?“
„Nur noch die Nachspielzeit.“
„‚Aber wir mĂĽssen los, und du hast 17.15 Uhr gesagt“
„Gleich.“
„Was, es steht 5:0? Meinst du, da fällt noch das 5:5?“
„Jetzt warte halt.“
„Schatz, wir mĂĽssen uns trennen.“
„Aber bitte erst Mittwoch. Dienstag spielt der BVB.“
FrĂĽher war die Welt noch in Ordnung. Es galt: Ein Bundesliga-Wochenende endet am Samstag um 17.15 Uhr. Oder spätestens zwei, drei Minuten später. Dann war alles komplett vorbei. Erst von 1992 an wurde on top sonntags gekickt, später Samstagabend, und schon das stellte viele Beziehungen auf die Probe. Aber so ĂĽbel wie heute war’s noch nie.
Heute ist FuĂźball Nachspiel-Sport. Torjubel wird nachgespielt, Zeitspiel wird nachgespielt, VAR wird nachgespielt, Diskussionen werden nachgespielt.
Ja, sogar nachgespielte Zeit wird nachgespielt. Und zwar überproportional lange, weil Schiris nicht rechnen können. Fast immer wird nämlich an eine zum Beispiel fünfminütige Nachspielzeit noch eine ganze drangehängt – wie am Freitag in Bochum, wo dann auch genau in dieser Zusatzminute das 2:2 fiel. Diese 20 Prozent plus entsprächen übrigens, auf 90 Minuten angewandt, einer 18-minütigen Nachspielzeit.
Die Fans sitzen nur noch vor dem Fernseher, weil Fußball länger und länger dauert, und die Lebenspartner trippeln nervös mit den Fingern.
Aufgepasst, Leute: Fifa-Chef Infantino plant, euren Haushalt zu ĂĽbernehmen!
Denn dazu kommt ja noch die erwähnte Zerstückelung der Spieltage auf fünf bis sechs verschiedene Anstoßzeiten. Das ist, als würde man beim Metzger ein Steak ordern, und der wirft einem das Fleisch dann durch einen laufenden Hochleistungsventilator zu.
Der freie Montag? Fiel der Frauenbundesliga zum Opfer. Dem FuĂźball ist nichts heilig. Selbst Halbzeitpausen dauern inzwischen länger als die in DFB-Regel 7, Absatz 2, festgelegten, ich zitiere: „maximal 15 Minuten“. Gestern handgestoppt in Frankfurt: 16 Minuten und 13 Sekunden.
Sonntags hat das alles zusammengerechnet kuriose Auswirkungen: Aufgrund der neuen Regelauslegungen ĂĽberschneiden sich mitunter die ohnehin im Zwei-Stunden-Takt stattfindenden Bundesliga-Begegnungen zeitlich, was sogar bei leidenschaftlichen FuĂźballfans zu nervenzerfetzender Anspannung fĂĽhren kann.
Jeder, der schon mal versucht hat, auf DAZN schnell zwischen zwei Spielen hin- und herzuzappen, weiß, wovon ich spreche. Es funktioniert nicht, nur eine Einkommensteuerrückzahlung dauert in Deutschland länger.
Aber das ist wieder ein Thema fĂĽr sich.
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