Trainerpraktikum bei BVB und Bayern

Die klaren Niederlagen in der Königsklasse gehen auf die Kappen von Nuri Sahin und Vincent Kompany – der Kolumnist ist alarmiert

|25. Oktober 2024|
Trainerpraktikum bei BVB und Bayern
Trainerpraktikum bei BVB und Bayern

Foto: Imago / NurPhoto

Ich bin erschüttert über die Aufritte der Dortmunder und Bayern in der Champions League. 2:5 in Madrid, 1:4 in Barcelona? Sollten dafür wirklich exakt die deutschen Vereine verantwortlich sein, die seit 2010 insgesamt sechs Mal in einem Champions-League-Finale standen? Die im Jahr 2013 die beiden genannten spanischen Klubs gnadenlos in ihre Ursprungskomponenten zerlegten? Auf die wir diese Saison unsere größten Königsklassen-Hoffnungen setzen?

Klar, man kann viele Ursachen für Niederlagen finden: schwache Einzelleistungen, indiskutable Defensive, leichter Dauerlauf beim Konter, während ein Weltfußballer in spe sein DRS einschaltet. Fehlende Führungsspieler.

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Aber was ist eigentlich mit den Führungstrainern? Reden wir mal über die und über jene, die sie eingesetzt haben. Wieso sitzen eigentlich bei den anderen Spitzenklubs in Europa gestandene Erfolgstrainer auf der Bank, und bei BVB und Bayern zwei Grünschnäbel, die bei erstbester Gelegenheit Anfängerfehler machen und sich von Champions-League-Sieger-Coaches über den Tisch ziehen lassen?

Machen wir uns nichts vor: Die Niederlagen unter der Woche gehen auf die Kappen von Nuri Sahin und Vincent Kompany. Sie probierten hanebüchen riskante Taktiken aus bzw. holten geistesblitzartig die besten Spieler vom Platz, als es gerade lief. Wenn es schiefgeht, nennt das manchmal gutmütig: Erfahrungen sammeln. Ich nenne es: Praktikum.

Bayern-Sportchef Max Eberl wählte am Mittwoch nach dem Debakel in Barcelona Erklärung eins und sagte, dass das alles Teil eines Lernprozesses sei:

„Du willst nicht nur aus Siegen lernen, du wirst auch aus Niederlagen lernen. Und das tun wir, das war jetzt die zweite in der Champions League.“

Sorry, aber: Muss das auf diesem Level passieren? Ferrari stellt doch auch nicht mitten im Formel-1-Rennen auf Handschaltung um.

Im Prinzip finde ich es ja gut, junge Trainer auszuprobieren. Doch selbst ein Julian Nagelsmann verdiente sich seine Sporen acht Jahre lang in Hoffenheim und Leipzig, ehe er auf die Bayern losgelassen (oder umgekehrt, Gruß an Brazzo) und später sogar Bundestrainer wurde.

Thomas Tuchel hatte fünf Jahre lang Erfahrungen auf der Trainerbank der Mainzer gesammelt und sie sogar nach Europa geführt, als Dortmund rief.

Hansi Flick arbeitete über 20 Jahre (!) an der Seitenlinie, ehe er die Bayern steuern durfte.

Ja, selbst Trainergott Carlo Ancelotti verdiente sich seine Sporen als Co-Trainer Italiens und Chefcoach von Reggiana und Parma, ehe er bei Juventus Turin unterschrieb.

Dagegen Nuri Sahin: vorher eine Station – zwei Jahre Antalyaspor.

Dagegen Kompany: vorher zwei Stationen – je zwei Jahre Anderlecht und Burnley, inklusive Auf- und Abstieg.

Ist das genug? Oder greift jetzt das sogenannte Peter-Prinzip, wonach einer im Job so lange aufsteigt, bis sich seine Inkompetenz zeigt? Ich denke, es ist zu früh, das zu behaupten, aber unter der Woche hatte ich ein paar Mal das Petergefühl.

Um nicht allzu schwarz zu malen, muss ich fairerweise dazusagen, dass es auch gelungene Beispiele gibt: etwa Pep Guardiola (FC Barcelona) und Xabi Alonso (Bayer Leverkusen). Sie wurden relativ schnell ins Haifischbecken geschmissen und hatten Erfolg. Aber es ist und bleibt eben ein großes Risiko.

Haben die BVB- und Bayern-Bosse zu hoch gepokert? In ein paar Monaten wissen wir mehr.

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