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Die Torflut-Revolution in Europa: Wer kennt Gründe?

Unglaubliche Trefferquoten in England, Spanien und Deutschland überraschen Experten – nicht nur der VAR könnte ein Auslöser sein

Foto: Imago / PA Images

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Ständig reden wir darüber, wie sich der Fußball verändert. Wohin er sich bewegt oder bewegen könnte. Rund um die Uhr wird analysiert, werden "Expected Goals" gezählt und komische Raster aufs Spielfeld gelegt. In den TV-Studios malen Experten auf Touchscreens taktische Grundformationen auf oder schieben auf Tafeln Magnetchen hin und her, um zu zeigen, was es gerade Neues gibt im Taktikgeschäft.

Die eigentliche Revolution hat vor lauter Analysiererei keiner bemerkt. Sie lässt sich in zwei Wörtern zusammenfassen: Tore. Viele.

In der englischen Premier League sind in dieser Saison 3,06 Tore pro Spiel gefallen – das ist der höchste Wert seit 1966.

In der deutschen Bundesliga schlug es bisher 3,64-mal pro Begegnung ein – mehr war es in der 60-jährigen Ligageschichte nie.

Die spanische LaLiga? 2,93 Treffer pro Spiel – der zweithöchste Wert seit 1963.

Warum nur fallen plötzlich so viele Tore?

Illustration: Jens Uwe Meyer / bergfest.at

An dieser Stelle der Kolumne wollte ich ursprünglich aufgeben, mir fiel kein überzeugender Grund ein. Dann schaltete ich die Schwarmintelligenz zu, startete also einen Rundruf bei Freunden, die im Fußballgeschäft unterwegs sind, und fragte sie nach Erklärungen.

Was mich überrascht hat: dass die Frage alle überrascht hat. Erstaunen wurde geäußert ("Höre ich zum ersten Mal") und dann aber doch versucht, Ursachen der historischen Torflut zu finden.

Hier eine Übersicht:

Ursache 1: In den genannten Ligen liefen noch nie so viele treffsichere Spieler herum wie heute: Haaland, Lewandowski, Kane, Boniface, Guirassy, Son, Bellingham – allein dieses Septett hat diese Saison schon 46-mal getroffen.

Ursache 2: Der VAR macht Abwehrspielern das Leben immer schwerer. Sie können nicht mehr in Zweikämpfe gehen wie früher, weil die kleinste falsche Bewegung einen Elfmeter zur Folge hat. Der gefühlt von Spieltag zu Spieltag länger und genauer spähende VAR spürt auch die softeste Berührung des Gegners oder des Balles mit der Hand auf.

Bundesliga: Guirassy, Kane und Boniface treffsicher
Kane, Guirassy, Boniface: Die Topstürmer zeigen sich in der Bundesliga früh in bestechender Form. Der Kampf um die Torjägerkanone könnte zum Wettschießen werden.
Premier League Top Scorers - BBC Sport
Premier League top scorers. Showing assists, time on pitch and the shots on and off target.

Ursache 3: Seit Corona darf häufiger gewechselt werden – fünfmal statt dreimal. Das bedeutet: Es kommen mehr frische offensive Kräfte auf den Platz als früher, und es gibt gleichzeitig mehr Unruhe hinten, wenn neue Defensivspieler eingewechselt werden.

Wenig überzeugt hat mich, was ich im Netz als Erklärung fand. "Ich glaube, ein großer Faktor sind die Stadien", spekulierte TSG-Trainer Pellegrino Matarazzo kürzlich. Diese Theorie würde deutlich fundierter klingen, wären die Stadien alle in der Sommerpause gebaut worden.

Eine Wortmeldung fand ich bei meinem Rundruf ganz besonders lustig – und irgendwie auch überzeugend: "Stürmer verdienen mehr Geld als Abwehrspieler!"

Apropos Schwarmintelligenz: Fever-Pit'ch-Leser sind herzlich eingeladen, mir ihren Erklärungsansatz zu schreiben – bitte an post@alexsteudel.de

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