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Sommermärchen Reloaded?

Rolf Fuhrmann vermisst das EM-Feeling in Deutschland. Die Unbeschwertheit von 2006. Woher kommt die Zurückhaltung?

Foto: Imago / Schüler

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Es war einfach traumhaft die Fußball-WM 2006 im eigenen Land. Der Himmel blau, der Sommer heiß, die Fans aus allen Ländern begeistert und in totaler, friedlicher Feierlaune. Vier Wochen, wie wir uns Deutschland immer gewünscht hatten. Auch wenn unsere Mannschaft nicht Weltmeister wurde und trotz aller negativen Machenschaften, erst rausgekommen Jahre später, bleibt es für mich ein Sommermärchen.

Ich durfte bei 18 Spielen als Fieldreporter dabei sein, die Weltstars hautnah erleben und bis zu einem gewissen Grad mitfeiern. Einer meiner vielen beruflichen Höhepunkte, die ich erlebt habe. Auf ewig dankbar für diese Momente.

Viele erhoffen sich achtzehn Jahre später wieder so ein Fußballmärchen, auch wenn es auf Europa beschränkt ist. Wieder so ein Wetter, so ein Fieber, friedlich und fair und natürlich auch erfolgreich für unser Team. Aber wo ist die Begeisterung, die Euphorie, die Fähnchen und sind die anderen schwarz/rot/goldenen Accessoires auf den Straßen und an den Autos und Fahrrädern?

Auch wenn die jüngsten Umfragen sagen, dass die Vorfreude steigt und auch die Medien "mobil" machen, ist es kein Vergleich zu den Tagen kurz vor der WM 2006. Selbst im fußball-affinen Freundes- und Bekanntenkreis keine Spur von EM Feeling. Dabei haben Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund international es doch bis ins Finale geschafft und für Furore gesorgt. Und auch die Stadien in unseren Profiligen sind oftmals Rappel voll, meist ausverkauft. Die Fußballfans sind eigentlich doch heiß auf große Spiele und große Gefühle.

Was ist es denn, was uns so zurückhaltend sein lässt? Vielleicht das Abschneiden der Mannschaft bei den Weltmeisterschaften in Russland und Katar oder diverse desaströse Ergebnisse in vielen Länderspielen außer gegen die Niederlande, Frankreich und dem Remis gegen die Ukraine? Oder sind es einfach die Multikrisen in der Welt? Klimawandel, Pandemie, Kriege, Inflation, Erstarken rechter und rassistischer Kräfte in Deutschland und Europa, die Zukunftsängste, die viele Menschen berühren?

Ich denke, all das spielt eine große Rolle. Auch ich gehe nicht mehr so unbeschwert durchs Leben wie noch in den Nuller Jahren. Ich war mit dem Fußball in sehr vielen Ländern, die ich heute eher meiden würde. Es macht mich sauer und traurig zugleich. Was mich positiv stimmt und mich sehr beeindruckt hat, sind die Statements von Joshua Kimmich und Julian Nagelsmann gegen Rassismus im Zusammenhang mit einer ARD Umfrage. Das schafft Mut und hat mich wieder ein Stück näher an die Nationalmannschaft gebracht.

Ich wünsche uns so sehr, dass wir wenigstens für vier Wochen etwa Ablenkung von den Problemen dieser Welt haben, dass wir trotz aller Zweifel sportlich erfolgreich sein werden, dass wir der Welt zeigen können, dass wir gastfreundlich, respektvoll, fair und bunt sein können und am Ende doch was zu feiern haben und sei es wenigstens ein Mini-Sommermärchen.

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