So weit ist es schon: Wir feiern das falsche Manchester
Das ganze Ballon d'Or-Theater um Vinicius Junior und die Folgen: Plötzlich wirkt der Scheichklub vergleichsweise sympathisch
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Rodri ist der beste Spieler der Welt, soso. Was soll man dagegen einwenden, schließlich haben ja meine eigenen Kollegen darüber abgestimmt. Aber mal echt: Kann ein Sechser, der per Definition eher aufs Wegräumen von Kunststoffkugeln bedacht ist, Weltfußballer sein? Ich habe damit so meine Probleme.
Mit Rodris Klub Manchester City habe ich die auch. Die Cityzens sind gerade wieder Tabellenführer in der stärksten Liga der Welt und haben letztes Jahr zum ersten Mal die Champions League gewonnen. Rodri, Haaland, Foden, Gündogan, Pep – super Namen, plötzlich mögen alle Kids ManCity.
Und Real Madrid hat mit seinem peinlichen Pariser Absagegewusel hinbekommen, was ich nie für möglich gehalten hatte: Sogar eingefleischte Scheichklubhasser waren am Montag beim Ballon d’Or auf der Seite von City.
Na, danke für den Bärendienst, Real!
City! City! City!
City? Wir feiern das falsche Manchester.
Bevor wir über United reden: Die Premier League ermittelt gegen City wegen mutmaßlicher finanzieller Verstöße in 115 Fällen. 115. Das heißt: Es besteht der Verdacht, dass die vielen Pötte, die der Klub von Trainer Pep Guardiola in den vergangenen Jahren gewonnen hat, quasi durchs Hintertürchen ins Pokalzimmer getragen wurden.
Und das bedeutet eben auch, dass ebenjener Rodri Teil einer Mannschaft ist, bei deren Zusammensetzung es womöglich nicht mit rechten Dingen zuging. Ihn also Superstars glänzen ließen, die ManCity sich vielleicht gar nicht hätte kaufen dürfen.
Immerhin spielte Rodri eine sehr starke EM und wurde Europameister, das muss man ihm zugutehalten.
Ihr seht, ich hadere. ManCity ist ein Geldklub. War früher eher im Auf- und Abstiegsbusiness unterwegs. Nur zwei der zehn Meistertitel fallen in die Vor-Erdöl-Ära. 1999 spielte City in der dritten Liga. Scheiterte vor 15 Jahren im Uefa-Cup am Hamburger SV.
Klar, als echter Fan sollte man wohl eher United mögen. Die haben zwar auch einen Investor, nur eben keinen aus einem Land mit wenig Bock auf Menschenrechte. Aber: Schlechtes Timing, nebenan geht gerade gar nix. Bei United spielt sich die größte Vereinskrise in der Geschichte des eigentlichen Manchester-Klubs ab. Das weltberühmte United, mittlerweile auf Platz 14 abgerutscht, entließ am Montag Erik ten Hag. 20 Meisterschaften und drei Königsklassen-Triumphe wirken dort momentan wie aus einer fernen Welt.
Stück für Stück erarbeitet sich derweil der Klub, der ab 2008 nur scheckbuchbedingt nach oben kam, das RB Leipzig Englands, die Sympathien der Leute. Am Montag war ManCity das kleinere Übel, es wirkte beinahe sympathisch. Das unsportliche Real Madrid, die Königlichen hassen, das war an dem Abend wichtiger. Komische Fußballwelt.
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