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Ich bin vorsichtig nicht optimistisch

Einen Neustart sollten wir unter Bundestrainer Julian Nagelsmann in den USA nicht erwarten. Vermutlich läuft erstmal "Zurück in die Zukunft 4"

Foto: Imago / Schüler

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Die Deutschen und das Nationalteam. Sie sind wie ein Paar, das sich schon dreimal getrennt hat und es jetzt halt noch ein viertes Mal miteinander versucht. Die Erfolgsaussichten? Statistisch gesehen gering. Ich war zumindest nie in einer Kirche, wo der Pfarrer sagte: "Sabine, willst du Paul im vierten Anlauf als deinen Ehemann annehmen?"

Das Problem bei Paaren, die sich eine neue Chance geben, besteht eben hauptsächlich darin, dass die entscheidenden Positionen unverändert bleiben. Ein bisschen ist es bei der Nationalmannschaft auch so.

Dass Mats Hummels (fast 35 Jahre alt) erneut berufen wurde und nun mit Thomas Müller (34) und bald wieder Manuel Neuer (37) gemeinsam für die Nationalelf spielt, wirkt auf mich befremdlich. Als käme "Zurück in die Zukunft 4" in die Kinos. Diesmal reist Doc Brown ins Jahr 2014, greift dort die besten Spieler ab und bringt sie zur EM 2024, wo der wahnsinnig junge Marty McNagelsmann für den Titel sorgt.

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Fehlt noch, dass sich Jerome Boateng in der Hoffnung, einen Probetrainingstermin zu bekommen, ins Flugzeug nach Boston setzt.

Und was macht eigentlich Klaus Augenthaler?

Nichts gegen alte Menschen, wir alle entwickeln uns in diese Richtung. Die Frage ist, ob sie Fußball in der Nationalmannschaft spielen müssen.

Ich möchte das nicht als Kritik an Julian Nagelsmann verstanden wissen. Er ist der Ärmste von allen. Der neue Bundestrainer muss sich wie ein Handwerker fühlen, dem ein Schraubenzieher, ein Hammer und eine Tube Uhu in die Hand gedrückt wurden mit den Worten: "Und jetzt bau' damit ein Zweifamilienhaus."

Nagelsmann hat aber einen Kurzzeitvertrag, das darf man nicht vergessen. Er muss nicht den deutschen Fußball weiterentwickeln, er soll ein einziges Mal für Erfolg sorgen. Das Minimalziel bei der EM in Deutschland: Vorrunde überstehen.

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Schaffen wir das? Nagelsmann hat zwar auch ein paar etwas jüngere Spieler nominiert, zum Beispiel den hervorragenden Chris Führich (25) vom VfB, aber im Grunde ist sein Kader der Weinkeller unter den Nationalteams. Ich sag nur: Kevin Behrens (32), Pascal Groß (32), Jonas Hoffmann (31), Niclas Füllkrug (30), Antonio Rüdiger (30). Und jetzt in den USA die Achse Hummels-Müller eben.

Ehrlich gesagt fällt mir kein Oldtimer-Comeback ein, das mal gefruchtet hätte. Mit Bestürzung erinnere ich mich an die Reaktivierung von Lothar Matthäus für die EM 2000. Lothar war 39 Jahre alt, die Nationalelf spielte auch so und schied in der Gruppenphase aus. Ich saß beim 0:3 gegen die B-Elf von Portugal in Rotterdam auf der Pressetribüne und überlegte die ganze Zeit, wie ich unerkannt aus dem Stadion komme. So sehr schämte ich mich.

Ich bin also, was den x-ten Neustart des DFB-Teams angeht: vorsichtig nicht optimistisch.

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