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Müssen Trainer Ex-Profis sein? Der deutsche Weg

Nur drei Männer an der Seitenlinie haben früher nicht selbst hoch Fußball gespielt: Nagelsmann, Rangnick, Tedesco. Kann das Zufall sein?

Foto: Imago / Beautiful Sports

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Es ist mir erst letzte Woche aufgefallen. Und schon erstaunlich. Von den 24 Nationaltrainern bei dieser Europameisterschaft haben 21 selbst früher hochklassig Fußball gespielt.

Die anderen drei kommen aus Deutschland.

Ralf Rangnick, Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco stehen sogar im Achtelfinale. Und sie sind doch nur Ex-Amateure.

Was ist dran am deutschen Weg?

Nur ein paar Beispiele aus anderen Nationen: Der Franzose Didier Deschamps war Weltmeister. Ronald Koeman: Europameister mit Holland. Sylvinho, Willy Sagnol: Champions-League-Sieger. Die Liste lässt sich komplett fortsetzen.

Sogar Nie-gehört-Typen wie Francesco Calzona (Slowakei) und Luciano Spalletti (Italien) spielten zweite oder dritte Liga. Sogar Kasper Hjulmand, Trainer des nächsten deutschen K.o.-Gegners Dänemark, hat ein paar Erstliga-Einsätze bei B.93 Kopenhagen. Immerhin.

Und jetzt: das deutsche Trio.

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Ralf Rangnick, die Ösi-Sensation? Kam als Spieler nie über den Amateurstatus hinaus. Kickte am Ende in Lippoldsweiler.

Der Esslinger Domenico Tedesco, der Belgien zur EM und nun ins Achtelfinale führte? Ich zitiere Wikipedia: "In seiner Freizeit spielte Tedesco Fußball." Er war als Stürmer beim ASV Aichwald in der Kreisliga A und einige Monate beim Landesligisten FV Zuffenhausen.

Einzig aus Julian Nagelsmann hätte wirklich etwas werden können. Er spielte in seiner Jugend erfolgreich für die U17 des TSV 1860 München und hätte das Zeug zum Profi gehabt, wäre da nicht sein Knie. "Wäre, wäre, Fahrradkette", würde Lothar aber sagen.

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Drei Deutsche gegen den Rest der Welt? Theoretisch könnten sogar sie alle parallel im Viertelfinale stehen.

Ihre wichtigsten Erfahrungen im Profigeschäft beziehen die Drei aus Kursen und dem Leben an der Seitenlinie, und doch handelt es sich um Ausnahmetrainer. Sie sehen Dinge, die andere übersehen. Sind Menschenfänger.

Bei Trainern, die selbst einmal Stars waren, sagt man: Ihre Aura ist schon die halbe Miete. So gesehen, ist sie bei Tedesco nicht mal die Mietnebenkosten.

Belgischer Riss zwischen Fans und Spielern
Stuttgart (dpa) - Er habe eigentlich nur eine Botschaft an die Fans, sagte Domenico Tedesco: „Wir brauchen sie.“ Belgiens Fußball -Nationalmannschaft trifft im Achtelfinale in Düsseldorf am Montag (18.00 Uhr) auf Titelanwärter und Vizeweltmeister Frankreich - wegen der großen Namen ein echter Knaller bei dieser EM. Doch von Vorfreude ist bei den Roten Teufeln und ihrem Trainer wenig zu spüren. Im Gegenteil: Die Stimmung ist gereizt, ein Großteil der Anhänger verärgert. Dass die Belgier die K.o.-Phase erreicht haben - aus Sicht der Fans schön und gut. Gemessen an den Ansprüchen aber auch das Mindeste. Sie wollen mehr sehen von ihrem hochdekorierten Kader um Mittelfeld-Star Kevin De Bruyne von Manchester City. Laute Pfiffe nach Remis gegen Ukraine „Alles ist möglich“, sagte Tedesco mit Blick auf den Hit gegen Frankreich. „Wir sind bereit.“ Wer den biederen Auftritt seiner Mannschaft beim 0:0 im abschließenden Gruppenspiel gegen die Ukraine gesehen hat, dürfte daran aber zweifeln. Pfiffe und Buhrufe gab es für die belgischen Spieler nach dem wenig erheiternden Vortrag auf dem Rasen. Die Vehemenz der Kritik von den Rängen war durchaus bemerkenswert - und für den Trainer eine Überraschung, wie er einräumte. „Wir müssen die Pfiffe akzeptieren“, sagte Tedesco. Seine Spieler würden sie allerdings nicht verstehen. Ob die Mannschaft diese Pfiffe verdient hat? „Ich denke nicht“, sagte Verteidiger Wout Faes. Das Wichtigste sei gewesen, weiterzukommen. Es sei „schade“, dass die Kurve so reagiert habe. Man habe daher entschieden, in die Kabine zu gehen. Auf halbem Weg Richtung Fans war De Bruyne nach dem Schlusspfiff wieder umgekehrt. Tedesco und sein Team bildeten auf dem Feld noch einen Kreis, ehe sie in die Kabinen der Stuttgarter Arena gingen. Bei ihrer kurzen Besprechung störte sie noch eine Kamera - wie so Vieles an diesem Tag. Anreise, Laserpointer - Tedesco hadert Es sei offenbar „alles erlaubt“, fauchte Tedesco. Bei der Anfahrt der Belgier zum Stadion habe es eine gewaltige Verzögerung gegeben. „Wir sind ohne Blaulicht von der Polizei hierher eskortiert worden, die Straßen waren vollkommen frei, sie sind mit 20 oder 25 Km/h gefahren und an jeder Ampel stehengeblieben“, berichtete der 38-Jährige. Das sei doch „unglaublich.“ Während der Partie fuchtelten Fans dann auch noch mit Laserpointern herum, irritierten dadurch unter anderem Belgiens Offensiv-Ass De Bruyne. Seine Mannschaft habe schon mit Widerständen zu tun bei diesem Turnier, gab Tedesco zu verstehen. Er erinnerte auch noch mal an das erste Gruppenspiel gegen die Slowakei (0:1), in dem das aberkannte Tor von Sturmtank Romelu Lukaku zum vermeintlichen Ausgleich für Diskussionen gesorgt hatte. Trotz allem seien die Belgier weitergekommen. Er sei daher „wirklich stolz“ auf seine Spieler, so der Coach. Kein Titel für die Goldene Generation? Viel fehlte am Ende nicht, genau genommen nur ein ukrainisches Tor, und die Belgier hätten sich wie bei der WM 2022 in Katar schon nach der Vorrunde verabschiedet. Womöglich ist der Ärger ihrer Fans auch mit einer gewissen Sorge zu erklären. Der Sorge, dass die goldene Generation dieser Mannschaft um De Bruyne (32), Lukaku (31), Verteidiger Jan Vertonghen (37) oder den aktuell angeschlagenen Axel Witsel (35) ihre Karriere irgendwann ohne großen Nationalmannschaftstitel beendet und eine neue Riege an Hoffnungsträgern erst noch heranwachsen muss. Er habe auf Clubebene viel gewonnen, in seiner Karriere aber auch schon oft „schwierige Momente“ gehabt, erklärte De Bruyne. Es sei „nicht einfach, so etwas zu durchleben.“ Man müsse wissen, wie man damit umgeht. An den Anhang richtete der Kapitän die gleiche Botschaft wie sein Trainer: „Wir brauchen die Fans. Wir brauchen sie gegen Frankreich.“ © dpa-infocom, dpa:240627-99-552153/2

In der Bundesliga kennen wir das Modell aber. Nagelsmann war in Hoffenheim jüngster Trainer der Bundesligageschichte und später Meister mit Bayern. Sebastian Hoeneß, Überraschungstrainer in Stuttgart, der den VfB jetzt zur Vizemeisterschaft führte: spielte höchstens Regionalliga.

Und Edin Terzic, der mit dem BVB gerade das Champions-League-Finale erreicht hat: siehe Sebastian Hoeneß. Terzics letzte Station als Spieler: Dröschede.

Trotzdem alles Toptrainer. Ob das deutsche Modell irgendwann weltweit Schule macht?

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