Lamento verebbt, Kloppo zeigt Biss
Christian Prechtl über die übertriebene und wohl auch in vielen Fällen geheuchelte Enttäuschung, als habe Jürgen Klopp in seinem bisherigen Leben immer gemacht, was „die Leute“ wollten.
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Gestatten: Prechtl. Freue mich, hier zu sein auf dieser schönen Seite, wo ich mich der geschätzten Leser/innenschaft mitteilen kann. Eben weil ich hier eine Kolumne habe. Warum auch immer. Weil ich einigermaßen schreiben kann vielleicht, weil ich schon seit 25 Jahren Kolumnen und andere Texte schreibe, mal hier mal da, bei verschiedenen Medien, gerne auch mal als rein privates Steckenpferd auf der eigenen Seite. Und hier, weil der Macher dieser Seite, Pit Gottschalk – manche nennen ihn auch Gott Pitschalk – mich bzw. meine Schreibe aus irgendeinem Grund gut findet. Also habe ich eben jetzt hier meine Kolumne und kann mich mitteilen über alles mögliche. Sogar eine eigene Rubrik hat er mir eingeräumt, der Pit.
Manch andere sollten sich dagegen bitte eher nicht mitteilen, weder über alles mögliche noch sonst über irgendwas. Also die anderen, die ihr Zeug einfach nur rausrotzen, anonym häufig, die zu allem eine Meinung haben und seit Social Media leider auch immer überall mindestens eine Plattform finden, um sich mitzuteilen. Und das, was all die Anonymen und mittlerweile sogar auch die Nichtanonymen, denn die Grenzen haben sich längst nach unten verschoben, die Leute sind völlig schmerzfrei und im Tunnel und haben bald auch den allerletzten Rest an Anstand verloren – also, das was die alle mitteilen, das gereicht einem eigentlich fast nie zur Freude. Vielmehr ist das viel zu häufig einfach nur doof, gehässig, unterste Schublade und noch schlimmer. Alle Irren des Planeten teilen sich überall mit, was zur Hölle soll das?!
Nicht, dass ich irgendwem generell den Mund verbieten wollte, freies Land natürlich. Und wer sich rauswagt, wer kolumniert, publiziert, tut und macht, der oder die darf natürlich auch kritisiert, gelobt, getadelt werden. Halt vielleicht nicht bedroht oder beleidigt, das wäre schon was. Und dann nicht immer alles besser wissen, vielleicht. Nicht auf Mitgliederversammlungen von Multimillionen-Klubs auftreten und den Herrschaften sagen, was sie zu tun hätten, obwohl man selbst schon lange nicht mehr alle Zähne im Mund hat. Sie rennen doch auch nicht in die Sparkasse, bloß weil Sie da Zweifuffzig auf dem Konto haben, und schreien rum und verlangen sofort den Vorstand zu sprechen um ihm zu sagen, dass er alles falsch macht und Sie ihm jetzt mal zeigen würden, wie das alles hier zu laufen habe.
Klopp
Nicht so tun, als gehöre einem eine Person. Als wüsste der anonyme Telegram-oder Twitter-Poster am allerbesten, was zum Beispiel ein Jürgen Klopp zu tun oder zu lassen habe. Als sei Fan XY der institutionell verankerte Hüter und Bewahrer deutscher Fußballtradition. Das Herumgeheule über Klopps RB-Move ist zum Glück nach ein paar sehr heftigen Tagen dann auch wieder verebbt – aber die heftigen Tage waren schon mal wieder bezeichnend. Diese übertriebene und wohl auch in vielen Fällen geheuchelte „Enttäuschung“, als habe der Mann in seinem bisherigen Leben immer das gemacht, was „die Leute“ wollten. Vom regionalen Spieler zum regionalen Trainer zum nationalen Trainer zum international bekannten Trainer der börsennotierten echten Liebe zur Weltmarke mit dem FC Liverpool, einem klassischen Heuschreckenclub. Den kennt in China jedes Kind. Ganz aktuell hat er sogar, zumindest ein kleines Bisschen, seinem Immer-Wieder-Nachfolger Thomas Tuchel in England den Weg bereitet. Womöglich den Weg zum Traumjob als Nationaltrainer bei der Heim-EM. Und nebenher? Jahrelang Brand Ambassador der Deutschen Vermögensberatung DVAG, dessen Gründer Reinfried Pohl nicht ganz umsonst als der Erfinder der Drückerkolonne gilt.
Das RB-Gebashe bin ich zwar bislang immer auch ein kleines Stück weit mitgegangen – aber in erster Linie deshalb, weil mir da die Fans so unsympathisch waren. Pokalfinale in Berlin zum Beispiel, da muss man die ganzen Badenser jetzt auch nicht alle lieben – aber im Vergleich zu den linkischen, sich immer eher irgendwo halbheimlich rumdrückenden und jeden Kontakt mit anderen Fans eher durch abweisendes Verhalten verhindernden Leipzigern waren die Spochtclubberinnen und Spochtclubber ja ein echtes Träumchen, selbst für den Schwaben. Dass sie bei RB für den Fußball an sich hervorragende Arbeit machen, das ist aber doch trotzdem über jeden Zweifel erhaben. Und jetzt kann der Jürgen in New York sein Gebiss zeigen wie einst Franz Beckenbauer den Pelzmantel. Und er kann sein Kung Fu beim FC Paris einbringen, diesem neben PSG anderen Pariser Club, zu 30 Prozent RB, zu 55 Prozent LVMH, also quasi Red Bull hoch Vier. Ein Megaprojekt für einen, der als Trainer im Vereinsfußball alles und noch viel mehr erreicht hat. Und ein Megamove von Mintzlaff, diesem Friedrich Merz des Fußballs, der im Gegensatz zum selbstfliegenden Fritz erkannt hat, dass er es alleine und ohne geradezu disruptive Veränderungen trotz aller finanziellen Möglichkeiten nicht hinbekommen wird. Dass „sein“ RB trotz guter Dienste am Fußball immer ein Grauer Herr bleiben würde, wie bei Momo, ein Gebilde, das die anderen hassen und fürchten, weil es ihnen den Raum nimmt und die Luft zum Atmen. Und jetzt hat dieser Graue Herr plötzlich ein Gesicht, mit gesundem Färble, mit blendendem Porzellan vorne drin, es hat immer was Schlaues zu sagen und wird über kurz oder lang in der Öffentlichkeit ganz anders wahrgenommen werden. Und wenn es in drei Jahren ein geiles Derby in Paris gibt, dann können unsere Obertraditionalisten ja gerne wieder jammern und klagen, das wäre ja Konzern vs Knochensäge.
Gottschalk (aber Thomas)
Und dann gibt es ja auch noch die Leute, die nicht loslassen können. Die den lieben Gott keinen guten Mann sein lassen können. Die einst Ikonen waren und jetzt ihren Bedeutungsverlust beweinen. Wie Thomas Gottschalk. Was den reitet, sich mit 74 Jahren und wohl mindestens ebenso vielen Millionen auf dem Konto derart zum Affen zu machen, das erschließt sich mir nicht. Hat der niemand, der oder die ihm den Mund zuhält? Verhindert, dass er sich öffentlich äußert? Aber da ist es eben genauso wie bei den anonymen Affen: Jeder, Jede, Jedes findet eine Plattform um seinen oder ihren Mist in die Welt zu ballern. Da lob ich mir doch den anderen Gottschalk, den von hier, den Pit. Der sucht sich keine Plattform für die Affen, der macht lieber selbst eine auf. Eine ohne Affen, dafür mit geschätzten Kollegen.
Ich fand den Thomas noch nie besonders gut, aber er gehörte halt dazu. Auch seine bisweilen lächerlichen Anzüge gehörten dazu. Immerhin mal einer, der kleidungsmäßig was probiert hat. Immerhin. Und selbst später noch, wenn Du im Auto unterwegs warst und SWR3 drin hattest – da hat plötzlich einer geredet, da hast Du gemeint, den kenn ich doch. Und hast zugehört. Und der hat mal besser und mal schlechter dahergeredet, aber irgendwie hat er doch immer was hergemacht. Und dann hast Du gehört, das war der Gottschalk. Der ja vor 100 Jahren beim Radio auch seine Karriere gestartet hat. Und dann gibt der so ein Interview beim Spiegel. Und beim Beisenherz. Und schreibt auch noch so ein Buch, das ich selbstverständlich nicht lesen werde. Profilneurose im Quadrat, passiert offenbar auch denen, die es am allerwenigsten nötig haben. Die sich in luxuriöseste Altersweisheit zurückziehen und zur Bekämpfung der Langeweile und Bedeutungslosigkeit einfach nur Gutes tun könnten. Bei Gottschalk das Pech gleich doppelt: Nicht nur zerbröselt der im Spiegel-Interview sein eigenes Denkmal, er trifft auch noch auf zwei Interviewende, die dieses Zerbröseln auf die langweiligste aller möglichen Arten vornehmen. Was hätte man dem Thomas für tolle Fragen stellen können! Und die Beiden machen ein Exempel mittelmäßiger Miesepetrigkeit draus. Sehr schade, Chance verpasst, wenigstens entertaining hätte das sein können.
Aber entertaining ist hier fast gar nix mehr, alles geht den Bach runter, alles wird schlechter. Und was nicht schlechter wird, wird schlecht geredet. Außer dem VfB Stuttgart natürlich, diesem Verein für gute Laune, der jetzt sogar die Nationalmannschaft übernommen und sogar einem Joshua Kimmich (ehem. VfB) ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Da lassen wir doch das Gejammer von wegen Undank sei der Welten Lohn wenigstens für einen kurzen Moment ruhen und sagen: Falsch! Nicht Undank sondern Undav ist der Welten Lohn! Und jetzt kommen Sie bitte und wagen sich raus und kritisieren und tadeln und loben und schmähen mich. Grade wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist.