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Martin Kind treibt sie alle in den Wahnsinn

Ein TV-Auftritt und die Folgen: Alle wollen wissen, ob Hannovers Geschäftsführer für den Investoreneinstieg gestimmt hat – aber er verrät es nicht

Foto: Imago / HMB-Media

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Verrückte Dinge passieren in Deutschland. Zum Beispiel war ich am Montag gerade dabei, eine Meldung mit der Überschrift "Immer mehr ältere Menschen arbeiten über das Rentenalter hinaus" zu lesen, als schon Martin Kind in meinem Fernseher auftauchte. Kind ist 79 Jahre alt, Hörgerätehersteller und der Übers-Rentenalter-hinaus-Arbeiter schlechthin.

Seine Hobbys: Tennis spielen, zu den 200 reichsten Deutschen gehören, die Bundesliga in den Wahnsinn treiben.

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Dieser Mann ist ein Knaller, ich sage das ohne Sarkasmus. Alle denken gerade, dass bald Bundesligaspiele nach den Tagesthemen anfangen, und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis das DFB-Pokalfinale in Riad stattfindet, weil sich Kind kürzlich bei der (zweiten, dazu kommen wir noch) DFL-Abstimmung zur Investorenfrage der Anweisung seines Klubs Hannover 96 widersetzte und für einen Großinvestor votierte, was er weder bestätigen noch dementieren möchte.

Kein Wunder, mag ihn gerade keine Fankurve.

Ohne den Investor Kind, so viel Zeit muss sein, würde Hannover 96 übrigens kommenden Samstag in der Bezirksliga Hannover, Staffel 3, gegen den TSV Kolenfeld spielen und nicht um den Aufstieg in die erste Liga.

Der Mann ist eben Unternehmer durch und durch, das kann man ihm nicht vorwerfen. Er glaubt eher an die Regeln des freien Marktes als an Jahreshauptversammlungen von Bundesligavereinen. Ginge es nach Kind, dürfte jeder Klub selbst entscheiden, ob er ein Verein sein möchte oder ein Unternehmen, das jemandem gehört. Deshalb hassen ihn jetzt so viele Fußballtraditions-Fans, dass sogar RB Leipzig und Dietmar Hopp in Vergessenheit geraten.

In der ARD-Sendung "Hart aber fair" wurde Kind jedenfalls ordentlich in die Mangel genommen. Die Fan-Aktivisten im Studio (zu denen auch Journalisten gehörten, grübel) hatten gute Argumente, knacken konnten sie ihn nicht. Das Verrückte an der ganzen Sache ist: Vermutlich lieben alle den Fußball gleich, doch jeder zeigt es auf seine Weise. Die einen wollen Risiko mit der Hoffnung auf Fortschritt, die anderen, dass alles so bleibt, wie es am Anfang war.

Blöd ist nur, dass am Anfang des Fußballs England war, und da gab's schon immer Investoren. Manchester United gehörte 1892 der Lancashire and Yorkshire Railway Company.

Auf der Insel wissen sie: Investoren sind das Lustigste beim Fußball. Schaut nur mal nach Sunderland, wo der 26 Jahre alte Milliardärserbe Kyril Louis-Dreyfus den AFC gekauft und mit BWL-Erstsemester-Sprüchen zum Aufstieg geführt hat. Bessere Unterhaltung wird man in Deutschland nirgends finden, Hamburg natürlich ausgenommen.

„Hart aber fair“: Fanvertreter wirft 96-Boss Kind „Rumeierei“ an - WELT
Martin Kind ist eine zentrale Figur im Streit um den Einstieg eines Investors in den deutschen Profi-Fußball. In der Sendung „Hart aber fair“ verrät er trotz Nachfragen nicht, ob er sich bei der Abstimmung an die Vorgaben seines Vereins Hannover 96 gehalten hat.

Ja, uns entgeht so viel, weil wir nie Investoren hatten!

Also außer in Leipzig, Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim. Hab' ich wen vergessen? Hannover, Hertha BSC, Stuttgart?

Achtung! Beim aktuellen Showdown geht es aber nicht in erster Linie darum, ob die Bundesligaklubs 50+1 kippen und Investoren zulassen, sondern, ob alle 36 Erstligisten zusammen einen Großinvestor ins Boot holen sollen, der Karotten verteilt, die man doppelt und dreifach zurückgeben muss.

Wobei: Eigentlich habe ich das falsch formuliert. Die Frage, ob man das will, war schon geklärt, nämlich mit einer Antwort namens "Nein". Nur legten die DFL-Bosse nach dieser ersten Abstimmung ein gewisses Desinteresse an der Entscheidung an den Tag und planten einfach weiter, als sei nichts passiert. Bis eben das richtige Ergebnis herauskam. Und zwar wahrscheinlich wegen Kind, den größten Rebellen des deutschen Fußballs nach Marco Reus, der einst jahrelang ohne Führerschein Auto fuhr.

Die Traditionalisten fordern nun eine Wiederholung der Abstimmung. Begründung: Die Regeln seien nicht eingehalten worden. Da ist was dran, und es deutet einiges darauf hin, dass es so kommen könnte. Witzig ist es aber auch. Weil viele Traditionalisten, die jetzt "Die Regeln!" schreien, jedes Wochenende Böller und Bengalos in ihre Unterhosen stopfen und im Stadion zünden, was polizeilich verboten ist.

Was wird passieren? Eine neue Abstimmung finde ich gar nicht so abwegig, schließlich steht es 1:1 nach Abstimmungen, und im Fußball löst man so etwas gern mit Verlängerung. Ich bin schon gespannt, was dann rauskommt, überbewerten werde ich das Ergebnis nicht. Denn: Die nächste Investoren-Abstimmung ist immer die wichtigste.

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