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Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt heißt Football ja genauso Fußball wie Soccer. Und das, was die Amis mit dem Ei machen, das ist dann eben amerikanischer Fußball. Und weil ich nicht nur am vergangenen Wochenende in München beim NFL-Match der New York Giants gegen die Carolina Panthers war, sondern das Wochenende zuvor auch beim Berlin-Kreuzberger Landesligisten FSV Hansa 07, und weil darüber hinaus am Sonntag auch der allmählich zum tragischen Helden verkommende VfB Stuttgart im heimischen Neckarstadion ein erneut erfolgloses Feuerwerk des Fußballs gegen Eintracht Frankfurt abgebrannt hat, ist es an der Zeit, hier einmal die Unterschiede zwischen groß und klein und riesengroß und arm und reich und schwerreich und grasroots und Kommerz und Superkommerz zu beleuchten. Weil Fußball ist Fußball, oder etwa nicht?
Vorausgeschickt sei an dieser Stelle der Hinweis, dass ich mich schon lange darüber wundere bzw. ob der Tatsache latent am Lamentieren bin, dass die Menschen, zumindest die zahlende Zuschauerschaft außerhalb der Business-Bereiche, im Bundesligafußball behandelt wird wie die Viecher. Lange Schlangen unwürdigsten Gedrängels an den Drehkreuzen, die Zustände in den sanitären Anlagen zum Gotterbarmen, und zum Essen gibt’s einen Fraß, den wohl nur die Allerschmerzfreiesten auch außerhalb eines Fußballstadions in sich hineinschlingen würden.
Ob dieser Fraß nur deswegen so teuer verkauft wird, damit die Leute denken, er sei was wert, kann hier und heute nicht heller beleuchtet werden. Ich denke auch eher, man geht in Sachen Qualität einfach so weit runter, wie es nur irgendwie geht – die Leute fressen das Zeug ja trotzdem. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel, immer wieder wird vereinzelt von einer guten Stadionwurst berichtet, auch außerhalb von Stuttgart Degerloch, wo es bei den Kickers eine Rote gibt, die Blaue heißt.
DFL und NFL
Die gegnerischen Fangruppen im Fußball gelten häufig als „verfeindet“, weswegen sie durch teils enorme Polizeiaufgebote konsequent voneinander getrennt werden müssen. So genannte Fanmärsche der Gästefans in der gegnerischen Stadt kommen bisweilen eher daher wie kriegerische Aufzüge, viele in schwarz, einige vermummt – und sehr häufig gilt es als auswärtsfahrender Mensch genau zu recherchieren, ob und wo man das Trikot seines Clubs in der Fremde tragen kann, ohne körperlich angegangen zu werden.
Von der immer ganz arg hyperprofessionell daherkommenden National Football League, also quasi der Fußball-Bundesliga der US-Amerikaner (um hier ein ziemlich eurozentriertes Diminuitivum zu gebrauchen) hatte ich zumindest erwartet, dass die Sache mit den Toiletten besser geregelt werde als Samstags um halb Vier bei der Bundesliga. Aber weit gefehlt: Die Schlangen in der Allianz Arena nochmal deutlich länger als zum Beispiel im Stuttgarter Neckarstadion, die Zustände ebenso menschenunwürdig, selbst während des Spiels zu pinkeln hieß ewig Schlange stehen.
Und wo wir beim „professionell“ sind: Das lommelige Aufgewärme der hochbezahlten Supermaschinen war nun auch keine Offenbarung und gar kein Vergleich zum häufig noch ganz sportlehrerlike mit Trillerpfeife angeleiteten zackigen Warmup unserer Bundesligaprofis. Ob’s am Jetlag lag oder der Tatsache geschuldet ist, dass die Maschinen allesamt zwischen 100 und 250 Kilo wiegen und eher auf kurze Schnellkraft gedrillt sind als auf Ausdauer und ja auch häufig dicke Sonnenbrillen und riesige Kopfhörer und Zipfelmützen oder gleich Sturmhauben tragen beim Warmlaufen – ich weiß es nicht. Wahrscheinlich liegt der Hund da begraben, wo sie singen: There’s no business like show business.
Aber insgesamt scheinen sie bei der NFL diese International Games doch sehr ernst zu nehmen – zu groß sind die Potentiale der europäischen und anderen Märkte, zu viel Geld würde nicht verdient, ließe man diese Märkte brach liegen. So zeigte sich auch Roger Goodell in München als Mann des Volkes, schüttelte Hände, war nahbar. Er ist der „Commissioner“, also der Chef des gesamten Franchisesystems, ein Mann, der möglicherweise mächtiger ist als Papst und US-Präsident zusammen.
Das Spiel in München war dann weniger aufregend als die Präsenz des Superfunktionärs, kein Wunder, schließlich spielten ja auch zwei der schlechtesten Teams gegeneinander, und das mit Jetlag und auf ungewohntem Geläuf (echter Rasen!). Also quasi ein Augsburg gegen Wolfsburg an einem verregneten Freitagabend in Stoke, no offense, liebe Augsburgerinnen, Augsburger, Wölfinnen und Wölfe.
Trikots aller 32 NFL-Teams waren im Publikum vertreten, dazu etliche Collegefarben, viel Alkohol in häufig adipösen Körpern, trotzdem alles friedlich, niemand ausfällig, auch Abends nicht in den Kneipen von München, dieser Stadt voller Reichtum, wo die Schlangen vor dem Luxusladen 24/7 lang sind, und wo Du am Wochenende fast niemand ohne NFL-Merch am Leib gesehen hast. Das war schon ein starkes Statement, das die NFL hier zum wiederholten Mal abgegeben hat – und was das Kohlescheffeln angeht, ist es nicht weiter verwunderlich, dass die halbe Bundesliga neidisch über den Teich schielt, Partnerschaften sucht und sich beim Marketing möglichst viel abschauen will. Trotzdem bleibt zu sagen: Das so genannte Munich Game war eine große Party, ein Fest der Football-Familie aus Deutschland, Europa und aller Welt. Ein hochklassiges spannendes emotional mitreißendes Match war es freilich nicht – da hätte man statt in München im Stuttgarter Neckarstadion hocken müssen, beim VfB gegen die Eintracht.
Grasroots und Kommerz
Beim FSV Hansa 07 Berlin in Kreuzberg, beim Schlesischen Tor, nicht weit vom Kotti, da kicken sie auch in der Landesliga für umme. Da schließt während des Spiels einer das Tor zu, dann kommst Du nicht mehr runter vom Gelände. Da hat der langjährige Präsident, jetzt quasi Vereinslegende, Littbarski-like Säbelbeine, Knie und Sprunggelenke längst ruiniert vom wöchentlichen Training und den Spielen auf dem suboptimalen ungepflegten Kunstrasen. Dafür haben sie mit dem Club da früher die armen Kinder vom Kiez betreut, Kickschuhe besorgt (darf man noch „Böller“ sagen?), Hausaufgaben gemacht, geschaut, dass es denen nicht allzu schlecht ging.
In den Katakomben, die sie sich heute mit der Schule teilen müssen, hängen die Auszeichnungen durch den Bundespräsidenten, durch den DFB, das war Basisarbeit vom Allerfeinsten, nur möglich freilich, weil sie das umsonst gemacht haben, Ehrenamt. Kümmern tut sich sonst keiner um sowas, weil Fußball ist Kommerz. Und die meisten Konkurrenten in der Liga bezahlen ihre Leute heute, fix hier, Punkte, Tore da – der FSV Hansa kann und will das bis heute nicht. Hoffentlich halten sie noch ganz arg lange durch mit ihrem Verein, mit ihrem Fußball, mit ihrer Präsenz in ihrem Kiez. Der Ex-Präsident lebt sein ganzes Leben lang in Kreuzberg 36, er sagt: „Arme Kinder gibt’s hier heute kaum mehr. Hier wohnen jetzt fast nur noch reichere Leute.“ Sehr eindrucksvoll, das alles. Und ob Fußball Fußball ist, das ist eine schwierige Frage.