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Horst Hrubesch: Abschied einer Legende

Im Bronze-Spiel gegen Spanien steht der 73-Jährige heute zum letzten Mal an der Seitenlinie

Foto: Imago / HMB-Media

Inhaltsverzeichnis

Er wolle bei den Olympischen Spielen nicht im Mittelpunkt stehen, hat Horst Hrubesch gesagt. Das ist gründlich schiefgegangen. Zumindest, was diese Kolumne betrifft. Der Mann ist eine Legende und tritt heute als Bundestrainer der DFB-Frauen von der ganz großen Bühne ab. So einen muss man notfalls gegen Widerstand in den Mittelpunkt schleifen.

Das Spiel um Platz drei, also Bronze, der vom 73-Jährigen trainierten deutschen Frauen gegen Spanien, danach noch den Rest seines Vertrages als Leiter der Jugendakademie beim HSV erfüllen – 2025 ist Feierabend. Eine große Karriere ist dann beendet.

Das geht sogar mir nahe, dem ehrenamtlichen HSV-Basher.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich erinnere mich an einen Satz von Günter Netzer, der ihn einst zum Hamburger SV holte. Als er den jungen Essener Hrubesch zum ersten Mal beobachtete, dachte er: "Einen so lausigen Fußballspieler habe ich noch nicht gesehen", berichtete Netzer später.

Hrubesch hatte in seiner Anfangszeit tatsächlich eher die Qualitäten eines Henkers: Er konnte nur köpfen.

Aber was hat er daraus gemacht! Vizeweltmeister und Europameister als deutscher Nationalspieler wurde er, den Europapokal der Landesmeister hat er mit dem HSV gewonnen. Als Trainer war er vor allem auf Verbandsebene sehr erfolgreich: U19- und U21-Europameister, Olympiasilber 2016.

Ich verbinde mit dem Namen Hrubesch zwei besondere Ereignisse.

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Das erste: Halbfinale der WM 1982, die Nacht von Sevilla. Ich schaute mit meinen Eltern und deren Freunden zu. Als Frankreich in der Verlängerung schon 3:1 führte, gingen die ersten nach Hause. Sie kamen nicht weit. Mit dem 2:3 durch Kalle Rummenigge rannte die zurückgelassene Wohnzimmerbesatzung auf den Balkon, um die Abtrünnigen zurückzubeordern.

Nun schlug die Stunde des Horst Hrubesch. Das 3:3 (per Fallrückzieher von Klaus Fischer) legte er gekonnt mit dem Kopf vor – eine bis heute ikonische Szene. Und dann, als Letzter im Elfmeterschießen, fasste er den bereits auf dem Punkt liegenden Ball nicht mal an.

Das war wirklich kopfballungeheuerlich, einen größeren Anfall von Selbstsicherheit wird man in den 80er-Jahren selbst bei stundenlanger YouTube-Suche nicht finden. Hrubesch lief jedenfalls an, schob den herumliegenden Ball ein, hüpfte vor Glück – Deutschland stand im Finale.  

Der Ruf des bis zum letzten Atemzug kämpfenden Deutschen war geboren; und ich stolz wie Bolle.

Das zweite Ereignis: die EM 2000, mit Hrubesch als Co-Trainer von Erich Ribbeck. Ich war als Sportreporter für die „Welt“ dabei, mein erstes Turnier; leider ein mehrwöchiges Debakel, aufgeführt in wochenlangen Akten. Als Deutschland in der Gruppenphase ausgerumpelt hatte, saß Hrubesch heulend auf der Bank. Das rührte mich.  

Ich hatte ihn, die Legende, erst bei diesem Turnier kennengelernt. Und wie! Als er den heute legendären Satz "Das müssen wir Paroli laufen lassen" erstmals äußerte, stand ich direkt vor ihm und kritzelte eifrig mit, sagte aber nichts, ich war ja starr vor Ehrfurcht.

Was hätte er auch sagen sollen, der gänzlich unbekannte Steudel, der noch zur Schule ging, als Hrubesch schon WM-Halbfinals entschied? Außerdem war der Mann einen halben Kopf größer als ich.

Was mich und wahrscheinlich viele andere Menschen und Wegbegleiter an Hrubesch immer beeindruckt hat: Dass er all die Jahre, von 1975 bei Rot-Weiss Essen bis heute, 15 Uhr, in Lyon, er selbst geblieben ist. So etwas hinzukriegen ist im Fußballgeschäft schwerer, als Titel zu gewinnen.

An der Seitenlinie wirkt Hrubesch selbst bei Olympischen Spielen, als gehe es gerade um den Einzug ins Halbfinale des Bezirkspokals Lüneburg. Und im echten Leben da draußen kann ihn mir beim besten Willen nicht in Gucci-Glitzer vorstellen. Oder mit raushängendem Ellbogen in einem Bugatti Veyron durch Hamburg-Eppendorf rollend. Oder mit einer Flasche Edelschampus im Arm auf dem Hinterdeck einer Luxusyacht.

Wenn, dann säße er dort mit einem Fischerhut auf dem Kopf, einer Rute in der einen Hand, einem Bierchen in der anderen und hielte Ausschau nach Meerbrassen. Die Edelgäste würden ihre Nasen rümpfen. Was ist das denn für einer? Und diese Haare!

In einem Interview sagte einmal Hrubesch, der sogar ein Buch übers Angeln mitverfasst hat (Titel: „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“, 1980), der tollste Fang seines Lebens sei 187 cm lang gewesen, ein Wels.

Er selbst ist einer der Größten, die der deutsche Fußball je an Land gezogen hat.  

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