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FuĂźball im Wahlkampf nicht immer zielfĂĽhrend

Mit markigen Politiker-SprĂĽchen ohne Wahrheitsgehalt wird man den Anforderungen im Amateurbereich ganz sicher nicht gerecht

|29. Januar 2025|
DFB 125 Jahre Leipzig, 24.01.2025, Kongresshalle, Festakt 125 Jahre DFB Jubiläum , Im Bild v.l.: DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Bundeskanzler Olaf Scholz, Hans-Joachim Watzke (Aufsichtsrat der DFL) und UEFA-Präsident Aleksander Ceferin , *** DFB 125 years Leipzig, 24 01 2025, Congress Hall, ceremony 125 years DFB anniversary , In the picture from l DFB President Bernd Neuendorf, Federal Chancellor Olaf Scholz, Hans Joachim Watzke Supervisory Board of the DFL and UEFA President Aleksander Ceferin , Picture Point
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IMAGO/Picture Point LE

Der Wahlkampf treibt bizarre Blüten. Mit der Wahrheit nimmt man es ohnehin nicht ganz so genau. Hauptsache Aufregung und Medienpräsenz!

Nachdem der Watzke-Freund Friedrich Merz gleich nach dem Anschlag eines Rechtsextremen in Magdeburg in seinem Newsletter zum Thema den Fußball als Ort der Gewalt ausgemacht hat, will er nun bei der E-Jugend die Tore wieder einführen. Blöd nur, dass die nie abgeschafft waren. Die Zeitschrift 11Freunde hat eine Antwort darauf gefunden.

Nun spielen in der von Social Media getriebenen Welt Fakten bei vielen eine eher untergeordnete Rolle. Als Spitzenkandidat einer Volkspartei sollte man sich aber schon informieren. Finde ich zumindest. Aber ist ja nur FuĂźball.

Gleichwohl ist die Frage, wie wir Gewalt von den Plätzen kriegen. Sicher nicht mit markigen Sprüchen ohne Wahrheitsgehalt. Schon eher mit der Stärkung der vielen ehrenamtlichen Engagierten, die allerdings weniger werden. Das lässt sich sogar statistisch belegen – mit wissenschaftlichen Fakten. Der Rückgang ist angesichts maroder Sportstätten, schlechtlauniger Eltern und zunehmend zappelnder Kinder kein Wunder.

Sport spielt ansonsten im Wahlkampf keine Rolle. Die demokratischen Parteien konnten sich nicht mal auf die Einsetzung der bundesweiten Sportagentur verständigen, obwohl man doch längst Einigung zwischen rot-grün-gelb-schwarz erzielt hatte. Doch einige Abgeordnete wollten ihren eigenen Vorschlägen dann doch nicht zustimmen. Wahlkampf geht eben vor. Und der Bund kümmert sich ja ohnehin eher um Spitzen- als um Breitensport.

Keiner kann mehr einen Purzelbaum

Der tapfere DFB-Präsident Bernd Neuendorf sagte frustriert in einem Zeit-Interview: „Man läuft von Pontius zu Pilatus.“ Und sein Kollege Beucher vom Behindertensportverband ergänzt: „Bei den Schuleingangsuntersuchungen gibt es katastrophale Ergebnisse: Fettleibigkeit, keiner kann mehr einen Purzelbaum schlagen oder rĂĽckwärtslaufen! Unsere Kinder lernen nicht mehr, sich zu bewegen – allenfalls mit den Fingern auf dem Smartphone.“

Spätestens an dieser Stelle sollte Breitensport auch für den Bundestagswahlkampf relevant werden. Denn er könnte tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Gesundheitskosten haben. Nur nebenbei sei erwähnt, dass in den Vereinen auch demokratische Werte, wichtige Verhaltensregeln und sogar Freundschaften fürs Leben vermittelt werden.

Auch lernen die Menschen dort den Umgang mit Leuten auĂźerhalb ihrer Blase. Auf dem FuĂźballplatz treffen Spieler aus Villenvierteln auf solche aus sogenannten „Brennpunkten“, Reiche auf Arme, Hiergeborene auf Zugereiste, Ă„ltere auf JĂĽngere.

Beim FC Internationale gibt es 70 Nationalitäten, was in einer Stadt wie Berlin mehr Normalität als Besonderheit sein sollte. Doch wenn man die markigen Sprüche einiger Politiker hört und nur im Ansatz ernst nimmt, haben wir bald ein Problem, die Teams vollzukriegen. Und das geht nicht nur uns so.

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Wie wäre es damit, den Amateurfußball zu stärken, anstatt auf ihm herumzutreten? Bisher war kein Bundestagskandidat bei uns, um mal zu fragen, was Sportvereine zum Erhalt des solidarischen Zusammenlebens beitragen können. Und wie die Bedingungen für das Gelingen sein müssten. Klar, will keiner hören, kostet ja Geld. Wobei?

Es dürfte weit teurer werden, wenn immer mehr Ehrenamtliche aufhören und dadurch immer mehr Kinder auf der Straße stehen (siehe Beucher). Die Themen Integration, Teilhabe und Klimakrise haben schon aufgrund der Demografie für den Breitensport hohe Relevanz, finden im Wahlkampf aber kaum statt.

Stattdessen finden viele Kandidaten scheinbar Gefallen daran, sich vorzustellen, wie man Leute in Handschellen nach SĂĽdamerika ausfliegen kann und endlich wieder ohne schlechtes Gewissen mit dem SUV 15 Liter verbrauchen und durch die Stadt brettern kann. Braucht man in Berlin, der Teufelsberg ist stattliche 120 Meter hoch.

Und da so ein Großraumfahrzeug auch viel Geld kostet, ist eben nicht mehr so viel da, um in den Vereinen angemessene Mitgliedsbeiträge zu zahlen. Sarkasmus aus, Ernsthaftigkeit rein. Bei Winter-Temperaturen um 10 Grad denkt niemand an den nahenden Sommer. Aber spätestens im Juni werden wir auf einigen Plätzen wieder 50 Grad haben, denn Schatten ist Mangelware.

Nun ist das Thema Sportstätten auch so ein lästiges, denn das kostet ja auch schon wieder Geld. Ohnehin gibt es kaum Politiker, die sich mit Fachkenntnis und Leidenschaft für den Sport einsetzen. Außer in Sonntagsreden natürlich. Deren Inhalte nimmt an der Basis auf den Sportplätzen allerdings niemand mehr ernst.

Wäre ich in einer Partei, würde ich von Verein zu Verein fahren und mich mit den Leuten vor Ort unterhalten. Die Engagierten haben viele Ideen, die der Allgemeinheit zugutekämen, wäre jemand da, der sie mit ihnen umsetzen würde. Aber da verweist man lieber auf die Kommunalpolitik, die leider leere Taschen hat, auch ein Ergebnis der Schuldenbremse.

Zuwanderung wichtig fĂĽr Klubs

Auf Bundesebene gibt man sich mit derlei Kinkerlitzchen nicht ab. Da geht es um die großen internationalen Linien. Das Tagesgeschäft vor Ort ist da nicht relevant.

Wenn man allerdings im großen Stil verdiente Zuwanderer abschieben will, könnte es sein, dass das in dem einen oder anderen Verein nicht gut ankäme. Denn viele Trainer, Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre haben einen Zuwanderungshintergrund und leisten großartige Dienste für ihren Klub. Nicht nur bei Bayern München oder Hertha BSC, auch bei vielen Amateurvereinen.

Eine Frage habe ich noch: Wo bleibt eigentlich der Aufschrei unserer Sportverbände, wenn der Breitensport so diskreditiert und gar als Ort der Gewalt ausgemacht wird?

Nun sind viele der Funktionäre auch in Parteien, vielleicht gibt es da einen Zusammenhang. Ich finde allerdings, Verbandsvertreter sollten nicht zuerst die Politiker schonen, sondern sich viel mehr für das einsetzen, wofür sie sich haben wählen lassen: für den Amateursport!

Die letzten Tage haben meinen Hartplatzhelden-Freund Michael Franke und mich nur noch bestärkt, uns für das Präsidium des DFB zu bewerben.