FuĂźball ganz unten: Wichtig wie noch nie
Geld ist in unserem Land ausreichend vorhanden. Man muss es im Amateursport nur richtig einsetzen - meint Gerd Thomas
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Ich möchte mich bedanken. Bei Katarina Peranić von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, bei DFB-Sportgeschäftsführer Andreas Rettig und beim stets kämpferischen Ex-Profi und Podcaster Ewald Lienen. Alle kommen zu unserer Veranstaltung am 8. November, bei der es nicht um den großen Fußball, sondern um den an der Basis geht. Genau von dieser Präsenz brauchen wir mehr „ganz unten“ im Amateurfußball.
Fehlende Wertschätzung ist das größte Manko, das die Trainer, Funktionäre und andere Ehrenamtliche in den Breitensportvereinen ausgemacht haben. Eine bittere Erkenntnis, die unbedingt abgestellt gehört. Zum Abbau von Distanz und für eine bessere Wertschätzung tragen die drei Genannten bei. Und das ist auch gut so!
Bedanken möchte ich mich auch bei Pit Gottschalk, der mir in meinen Fever Pit’ch-Kolumnen den Raum gibt, über den Amateurfußball zu schreiben. Sichtbarkeit der Basis ist wichtiger denn je, denn fast jeden Tag läuft irgendwo Profifußball im Fernsehen. Als ich jung war, war nur ein Team für den Pokalwettbewerb der Landesmeister nominiert. Man spielte mittwochs zu einer Zeit, die auch für Kinder und Jugendliche akzeptabel war.
Wobei das spektakuläre 7:1 mit dem legendären Büchsenwurf am Bökelberg wegen eines Streits um 6.600 Mark nicht gezeigt wurde. Die würden heute viele Amateurvereine aus der Nebenkasse zahlen.
Meine Kolumne hat Pit „Ganz unten“ genannt. Zuerst habe ich kurz geschluckt, aber dann fand ich den Namen gut. Denn das muss ja nicht heißen, dass die dort geleistete Arbeit weniger wert ist. Man stelle sich vor, es gäbe nicht die Heerscharen von Ehrenamtlichen in den vielen Sportvereinen, ob auf dem Land oder in der Stadt. Wir könnten den Deutschland-Laden dichtmachen. Gleichwohl müssen wir leider auch konstatieren, dass das zweitgenannte Problem die Überlastung vieler Engagierter ist.
Zusammen mit der großartigen Kommunikations- und Elternexpertin Susanne Amar möchte ich mit der Veranstaltungsreihe zur Stärkung des Ehrenamts Mut machen. Auch mir fällt mein Engagement nicht immer leicht. Aktuell habe ich wieder so eine Phase, wo ich mich nach Weihnachten und Jahresende sehne. Wir müssen noch ein wenig durchhalten. Und alle anderen auch. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Geteilte Freude ist umso größer. Genau darauf kommt es an, auf Solidarität. Und wenn diese von Menschen gezeigt wird, die sich oft in anderen Sphären bewegen, Bundestrainer, Profispieler, Ministerinnen und Bundespräsidenten treffen, dann ist das ein großartiges Zeichen. Wobei alle drei mit Sicherheit nicht zu den abgehobenen Typen gehören, im Gegenteil.
Ich wünsche mir, dass die Profivereine ihre Spieler verpflichten, mindestens einmal in der Woche auf einen Amateurplatz zu gehen, um mit den Menschen vor Ort zu reden. Die Stars und Sternchen würden unheimlich viel lernen. Ein paar Autogrammkarten dürfen sie gern dalassen, aber das sollte im Hintergrund stehen. Viel mehr könnten sie das Training eines jungen Coaches begleiten, mit erfahrenen Trainern über taktisches Verhalten sprechen, Kindern ein bisschen aus dem Alltag eines Berufsspielers erzählen. Auf jeden Fall sollten sie versuchen, Augenhöhe herzustellen und Respekt zeigen.
Wir wollen am nächsten Freitag auch voneinander lernen. Als alter Marketingmann kenne ich noch den Spruch: „Lieber gut von anderen kopieren, als schlecht selbst erfinden!“ Soll heißen: Es gibt so viele gute Beispiele in Amateurvereinen, die könnte man zumindest teilweise einfach übernehmen. Wobei es nicht schadet, mit den Erfindern zu sprechen, warum sie dieses und jenes so machen.
Manche meinen, man könne einige Dinge einfach abschreiben, z. B. Konzepte zur Kommunikation mit Eltern. Klar, es gibt einige gute Beispiele. Aber wie Susanne einem Teilnehmer eines Workshops sagte: „Jeder Verein hat seine eigene DNA, weswegen man gut daran tut, zunächst zu überlegen, was auf den eigenen Club passt.“ Wir kennen uns beim FC Internationale beispielsweise mit Nachhaltigkeit oder Integration einigermaßen aus, aber man kann nicht einfach alles überstülpen. Sonst ist man schnell beim Green- oder Social-Washing. Andere Vereine sind in der Trainerkommunikation sehr gut. Und die nächsten wissen, wie gelebte Wertschätzung im Verein aussieht.
Ich empfehle Vorständen und Engagierten, auch mal mit Leuten aus anderen Vereinen zu sprechen. Es erweitert den Horizont, manchmal ergeben sich sogar Möglichkeiten zur Kooperation. Warum soll man sich die Mitgliederverwaltung nicht teilen, das Pass- und Meldewesen nicht gemeinsam organisieren und sich gegenseitig vertreten. Oder sich bezüglich der Erstellung eines Jahresabschlusses oder Sponsorenkonzepts austauschen?
Fußballvereine sehen sich in erster Linie immer noch als Kontrahenten. Auf dem Platz muss das auch so sein, das ist der Geist des Sports. Ich kann selbst im hohen Alter noch nicht gut verlieren. Aber ich kann den gegnerischen Verein trotz einer Niederlage schätzen und mich mit ihm austauschen. Im Rückspiel dreht man den Spieß eben um. Oder analysiert mal, woran es wirklich lag, dass wieder keine Punkte herauskamen. Meistens nicht am Schiedsrichter oder am Gegner, es sei denn, der war übermächtig.
Ich bin sicher, die Abschlussveranstaltung wird wieder viel Stoff für diese Kolumne bieten. Wir möchten mit dem Event Mut machen, dem Ehrenamt den Rücken stärken und das Gemeinschaftsgefühl der Engagierten stärken. Wahrscheinlich wird es sogar einen Livestream geben.
Zudem werden wir ein interaktives Handbuch präsentieren, erstellt von der Basis für die Basis. Es kann und muss fortgeschrieben werden, denn die Entwicklung des Ehrenamts ist nie zu Ende. Digitalisierung, neue Spielformen, Veränderungen der Umfelder sind nur drei Themen, die uns weiterhin beschäftigen werden.
Wir können und sollten alle daran arbeiten, unser Land lebenswerter zu machen, zum Beispiel mit Angeboten im Jugend- und Amateurfußball. Der Sportverein wird von einigen gern als Schule der Demokratie bezeichnet. In diesen unruhigen Zeiten sollten wir ihn also besonders pflegen.
Ob die Politik das beherzigt? Dort verweist man gern auf leere Kassen, wobei Haushaltspolitik ja immer eine Sache von Prioritäten ist. Ich glaube, dass wir andere Allianzen benötigen: zwischen Vereinen und Unternehmen, Stiftungen oder vermögenden Menschen. Geld ist in unserem Land genug vorhanden.
Setzt man es in Amateurvereinen ein, bekommt man sogar einen besonderen Mehrwert: eine soziale und gesellschaftliche Rendite. Ist ein Blick in glückliche Fußballkinderaugen oder das friedliche Zusammenspiel von Menschen unterschiedlichster Milieus nicht etwas, wofür es sich lohnt, einen Einsatz zu setzen? Wer die Frage tatsächlich nicht beantworten kann, nimmt bitte Kontakt zu mir auf.