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FC Bayern: Der Zerfall einer großen Mannschaft
Das 2:3 von Heidenheim war mehr als eine Blamage: Die sechste Saisonpleite entlarvt den schleichenden Niedergang seit dem Champions-League-Sieg 2020
Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!
Samstagabend war ich im Westfalenstadion in Dortmund. Oder wie man auf Neudeutsch sagt: im Signal Iduna Park. Ich sah: einen ratlosen BVB, der keine Lösung gegen den klug gestaffelten VfB Stuttgart fand und deshalb 0:1 verlor. Ich fragte mich im ersten Reflex: Wie hatte derselbe BVB eine Woche zuvor Bayern München im eigenen Stadion 2:0 besiegen können? Im zweiten Reflex lieferte ich mir die Antwort selbst: Sogar Heidenheim besiegt diese Bayern.
Als mich auf der Pressetribüne die hilflosen Angriffsbemühungen von Borussia Dortmund langweilten und ich keine Ablenkung auf X-Twitter und LinkedIn fand, beobachtete ich VfB-Trainer Sebastian Hoeneß an der Seitenlinie genauer. Ich sah, wie leidenschaftlich er seine Mannschaft coachte, wie zielorientiert jeder Spieler seine Ideen umsetzte, wie fahrig der Gegner mit jeder Minute wurde. Es ist kein Zufall, wenn der VfB Stuttgart nächste Saison Champions League spielt.
Bei Transfermarkt.de rief ich mir die Trainerstationen von Sebastian Hoeneß in Erinnerung. Die entscheidenden: Jugendtrainer bei RB Leipzig (2014 bis 2017) und Bayern München (2017 bis 2020), danach Cheftrainer bei TSG Hoffenheim und jetzt VfB Stuttgart. Einerseits: eine Bilderbuchkarriere. Andererseits: Warum fand der FC Bayern keine weitere Verwendung für ihn? Das ist vielleicht das wahre Problem bei den Bayern: dass man zu selten den eigenen Leuten Großes zutraut.
Einen schwäbischen Montag wünscht
Euer Pit Gottschalk
⚽️ Zerfall einer großen Mannschaft
„Interessiert mich gerade einen Scheißdreck!“
Nach dem 2:3 des FC Bayern München beim 1. FC Heidenheim ist Sportvorstand Max Eberl sichtlich gereizt und kritisiert die Bayern-Stars. Auch Trainer Tuchel ist frustriert und sucht Gründe für die Pleite. Zum Video: Hier klicken!
Von Pit Gottschalk
Bundesliga-Tabellen erzählen nicht immer die ganze Wahrheit. Die eine Wahrheit über den FC Bayern München sieht seit dem 2:3 von Heidenheim so aus: nur Tabellenzweiter mit jetzt 16 Punkten Rückstand auf Spitzenreiter Bayer Leverkusen und punktgleich mit dem Drittplatzierten VfB Stuttgart. Sechs Niederlagen hat Bayern in dieser Bundesliga-Saison schon kassiert. Sechs!
Die andere Wahrheit erzählt Erstaunliches: Bayern hat nach dem 28. Spieltag 60 Punkte auf der Habenseite – und damit genau einen Punkt mehr als zum selben Zeitpunkt in der Vorsaison, als am Ende 71 Punkte zur Deutschen Meisterschaft reichten. Die Verbesserung um ein Pünktchen ist ein schwacher Trost. Für den Rekordmeister bedeutet ein verlorener Titelkampf genau das: ein Desaster.
Man kann das Zahlenspiel auf die Spitze treiben und die Frage stellen: Was hat die 100 Mio. Euro teure Jahrhundert-Verpflichtung des englischen Torjägers Harry Kane tatsächlich gebracht? Vordergründig: viele Tore. 32 Treffer verbucht der Mittelstürmer nach 28 Spieltagen – eine Top-Quote. Hintergründig: Die Mannschaft erzielte 2023/24 mit Kane nur zwei Tore mehr als 2022/23 ohne Kane.
Unterm Strich darf man deshalb festhalten: Die millionenschweren Investitionen zu Saisonbeginn haben die Bayern zwar um einen Punkt und zwei Tore verbessert – aber nicht so wirksam, um nach den Leistungsexplosionen von Bayer Leverkusen und VfB Stuttgart in Führung zu bleiben. Der FC Bayern hat in seiner Entwicklung an Tempo verloren. Und jetzt kommt das Wichtige: Es liegt nicht am Geld.
In den vergangenen fünf Jahren haben die Bayern-Bosse eine Viertelmilliarde in die Mannschaft gepumpt. Exakt 242.300.000 Euro seit 2019 im Saldo. Mehr als jeder andere deutsche Verein. Während Borussia Dortmund und RB Leipzig Transferüberschüsse erzielten (oder erzielen mussten), ignorierte der Serienmeister Corona und Vernunft.
Man konnte es sich ja leisten und wurde durchgehend mit der Meisterschale belohnt. Der Zerfall der großen Mannschaft, die 2020 die Champions League gewann, passierte schleichend. Immer wieder unglückliches oder vorhersehbares Scheitern im Europapokal, ständig Trainerwechsel, verzweifelte Befreiungsschläge auf dem Transfermarkt. Der letzte DFB-Pokalsieg ist auch schon vier Jahre her.
Wenn Geld da ist, aber falsch investiert wird, ist die Ursache für eine abflachende Leistungskurve offensichtlich: Bayern München hat ein Management-Problem und kein Trainerproblem. Der Kader, so teuer er auch ist (Marktwert 929,5 Mio. Euro), funktioniert halt nicht. Man könnte jetzt alles den alten Vorständen Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic in die Schuhe schieben. Aber das wäre zu einfach.
Ausgaben in dieser Höhe werden grundsätzlich vom Aufsichtsrat abgesegnet, wo Herbert Hainer und Uli Hoeneß das Sagen haben. Vielleicht haben sie sich bei den Verpflichtungen von großen Namen blenden lassen. Vielleicht haben sie auch übersehen, dass eine Mannschaft mehr ist als die Sammlung von elf prominenten Spielern. Leroy Sané zum Beispiel hat 50 Mio. Euro Ablöse nie zurückgespielt.
Der neue Sportvorstand Max Eberl hat schon recht, wenn er sagt: „Ich habe großen Respekt vor Heidenheim, weil die gezeigt haben, wie Fußball funktioniert. Fußball ist ein ganz einfaches Spiel. Zwei Tore, ein Ball, Moral und Laufbereitschaft und einfach versuchen, alles auf den Platz zu bringen. Und das tun wir nicht.“ Da setzt die alles entscheidende Zukunftsfrage an: Warum eigentlich nicht?
Meister wird der 1. FC Heidenheim ganz sicher nie werden. Aber die 2,3 Mio. Euro, die der Aufsteiger vor der Saison in den Kader gesteckt hat, haben gereicht, um Bayern München am Samstag eine peinliche Niederlage beizubringen. In Gedanken mag der noch amtierende Meister beim Arsenal-Spiel am Dienstag in der Champions League sein. Aber die Königsklasse ist nicht das wahre Thema.
⚽️ Was Heidenheim ausmacht
Jan-Niklas Beste erklärt Wendepunkt
Überraschend schlägt der 1.FC Heidenheim Favorit Bayern München. Nach einer schlechten ersten Hälfte holen die Heidenheimer einen 0:2 Rückstand auf. Laut Jan-Niklas Beste lag das auch an einem Wendepunkt.
Von Roland Eitel
Es musste aus aktuellem Anlass ganz einfach ergänzt werden. Denn es ist kein „Wunder Heidenheim“, sondern es ist Lohn für Arbeit, Ehrlichkeit und konsequentes Handeln. Was man über das Gesamtpaket des 1. FC Heidenheim noch wissen sollte:
- Nachhaltig: Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald: seit 30 Jahren im Amt.
- Nachhaltig: Trainer Frank Schmidt: seit 2007 im Amt. Im gleichen Zeitraum hatte Schalke 23 Trainer, der Hamburger SV 25.
- Bezahlte Abfindungen in den letzten 25 Jahren für Trainer und Spieler somit: null Euro. (vgl. Bayern München mit Tuchel und Nagelsmann in kurzer Zeit…).
- Bezahlte Abfindungen in den letzten 25 Jahren für Sportdirektoren, Sportvorständen, Manager: null Euro.
- Ehrlichkeit: Der Wettpartner, den 17 von 18 Bundesligisten haben, ist Toto-Lotto Baden-Württemberg
- Cleverness: Voith-Arena seit 2019 im Eigentum des Vereins.
- Einwohnerzahl Heidenheim: 49.129 und somit auf Platz 197 in Deutschland. Hinter Lörrach, Rastatt, Böblingen, Speyer. Auf Platz 27 in Baden-Württemberg.
- Nachhaltig: Photovoltaik-Anlage auf dem Stadiondach (380.000 Kilowattstunden pro Jahr), ökologische Bewässerung durch Rückhaltebecken hinter der Nordtribüne und vieles andere mehr.
- Identifikation, Entfernung Geburtsort Trainer zum Stadion: geschätzt 350 Meter (Krankenhaus Heidenheim – Voith-Arena).
- Identifikation: Bei der Aktion „Wir für unsere Region“ erhalten inzwischen fast 200 Amateur-Vereine aus der Region wertvolle Unterstützung bei Themenabenden in Bereichen wie Pressearbeit, Rasenpflege usw.
- Caterer im Stadion: FC Heidenheim, vereinseigen,
Zusammenhalt, große Sponsoren: MHP, Voith, Hartmann, Puma. - Weitsicht: Vergangene Woche Vertragsverlängerung mit Haupt- und Trikotsponsor MHP bis 2027.
- Respekt: In Heidenheim sind Sponsoren keine Sponsoren, sondern echte Partner.
- Sponsoren-Familie: das 9. Branchenhandbuch des Vereins weist ein Netzwerk von mehr als 500 Sponsoren aus der Region aus.
Sponsorenpflege: Bei Sponsorenabenden, die regelmäßig stattfinden, begrüßt Frank Schmidt am Eingang persönlich die Gäste… - Nachhaltig: Bundespreis bei „zu-gut-für-die-Tonne“ 2021 für Essen der Mitarbeiter nach Heimspielen.
- Konsequent: Es werden nur Spieler verpflichtet, die den Trainer, die Region und die Mentalität der Menschen verstehen.
Roland Eitel ist Berater, u.a. von Jürgen Klinsmann. Sein Meinungsstück, hier mit kleinen Korrekturen, erschien zuerst bei LinkedIn.
⚽️ Heute im Fernsehen
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⚽️ Das war peinlich, Herr Schlotterbeck!
Von Alex Steudel
Mit das Schönste am Fußball sind Reaktionen von Fußballern, die sich in ihrer Ehre gekränkt fühlen oder ihre Leistungen fehlinterpretiert sehen. Beispiele gibt’s genügend, etwa Toni Kroos („Du hattest 90 Minuten Zeit, dir vernünftige Fragen zu überlegen, und dann stellst du mir zwei so Scheißfragen“), Stefan Effenberg („Freunde der Sonne!“), Per Mertesacker („Was wollen ’se?“), Lothar Matthäus („Steudel, was soll das denn schon wieder?“).
Am Samstag gesellte sich Nico Schlotterbeck dazu, nachdem ihm eine völlig naheliegende Frage gestellt worden war. Nämlich die, wieso der Dortmunder Innenverteidiger aus zwei Meter Entfernung einen Ball, statt ihn ins einladend offene VfB-Tor zu schießen, wie Millionen anderer Fußballer aus aller Herren Ligen es getan hätten, so weit drüber hämmerte, dass Mario Gomez Freudentränen gekommen sein mussten.
Sofort kursierten jedenfalls bei „X“ Bilder eines Balles, der auf dem Mond liegt.
Schlotterbeck hätte antworten können, dass ihn der plötzlich herbeifliegende Ball überrascht habe. Jeder, der Dortmund in dieser Saison spielen sah, hätte gleich gewusst, was er damit meinte. Er hätte sagen können, dass er den Ball halt nicht richtig getroffen habe. Oder: Dass er nicht wisse, was da passiert sei. Oder: Dass er eben nur Innenverteidiger sei.
Schlotterbeck entschied sich aber, wie in den vergangenen Monaten leider zu oft auch im Spiel, für den falschen Move. Er war gleich beleidigt und stellte im Gegenzug die Kompetenz des Sky-Fragestellers Patrick Wasserziehr nicht nur infrage, sondern stritt ihre Existenz gänzlich ab („Eine tatsächlich blöde Frage … weil Sie noch nie Fußball gespielt haben“).
Natürlich was das beste Unterhaltung, aber auch ein bisschen fremdschambehaftet. Schlotterbeck wirkte auf mich wie früher ein Mitschüler, der meine schönsten Gehässigkeiten jedes Mal nur mit „Und du bist dumm!“ zu kontern wusste.
Nun gibt es einen großen Unterschied zwischen Kroos, Effenberg, Mertesacker, Matthäus auf der einen und Schlotterbeck auf der anderen Seite: Die ersten Vier waren Weltklassefußballer. Sie gewannen in Summe WM-Titel, haufenweise nationale Meisterschaften, (Welt-)Fußballer des Jahres-Trophäen, sie spielten im Ausland und waren Champions-League-Sieger.
Da darf man dann schon ab und zu mal patzig und sogar überheblich rüberkommen.
Nicht sollte das tun, wer noch ziemlich nix geleistet hat, außer nach guten Spiel(situation)en immer gleich den großen Max rauszuhängen. Schlotterbeck, inzwischen auch schon 24 Jahre alt, hat als Profi im Verein genausoviele Titel gewonnen wie Patrick Wasserziehr, der übrigens sehr wohl Fußball gespielt hat (laut transfermarkt.de sogar Regionalliga). Nämlich: keine. Immerhin war Schlotterbeck aber, das soll hier nicht unter den Tisch fallen, ein sehr passabler U21-Spieler. Mit der deutsche U21 gewann er vor drei Jahren die EM.
Seither schafft er es – statistisch zwar nicht von mir nachweisbar, aber bestimmt richtig –, in jedem zweiten Spiel mindestens einen kapitalen Bock zu schießen, was sich auf seine ansonsten zugegebenermaßen oft starken Leistungen auswirkt wie ein umfallender Eimer Wasser auf ein fröhlich vor sich hin flackerndes Streichholz. Aus der Nationalmannschaft wurde er deshalb bereits entfernt, und den BVB führten seine Kompetenzen nicht gerade ins Paradies.
Hätte Schlotterbeck also schweigen müssen? Keinesfalls! Die Interviews sind in dieser Saison mit das Beste am BVB.
Hätte er so überheblich antworten sollen? Eher nicht, denn dazu ist er einfach noch nicht gut genug. Siehe Kroos & Co. – und Wasserziehr übrigens auch, denn der ist als Reporter seit Jahrzehnten „Stammspieler“ in der Champions League und für mich ein Fußballjournalist mit deutlich konstanteren Leistungen auf Topniveau, als der Innenverteidiger Schlotterbeck das von sich behaupten kann.
Jetzt zugreifen: Der Steudel-Jahresrückblick!
Alle Kolumnen des letzten Jahres gibt es auch als Buch-Jahresrückblick – plus nachträgliche Anmerkungen und WM in Katar. Titel: Und dann kam Harry Kane – Alles über das kuriose Fußball-Jahr 2023, 298 Seiten, 14,95 Euro: Hier bestellen! Wer fürs gleiche Geld ein signiertes Exemplar bevorzugt: Einfach eine Mail schreiben – an post@alexsteudel.de
⚽️ Immer wieder sonntags
⚽️ Was sonst noch so los ist
Was jetzt, Herr Baumgart?
Steffen Baumgart hat seit seinem Start beim Hamburger SV zehn Punkte aus sechs Spielen geholt, steht auf Tabellenplatz drei und steckt mitten im Kampf um den Aufstieg. Bei Bild war der HSV-Trainer zu Gast und spricht unter anderem über Hamburgs Aufstiegschancen. Zum Video: Hier klicken!
⚽️ Alle mal herschauen!
Wie wohnt ein Fußballprofi?
Ismail Jakobs ist Verteidiger bei AS Monaco und senegalesischer Nationalspieler. Der YouTube-Kanal „Einfach Fußball“ hat ihn in Monaco besucht und einen exklusiven Einblick in seine Welt bekommen. Zum Video: Hier klicken!
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