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England, Frankreich… Ich fürchte das Schlimmste

Einerseits kann man als Fan froh sein, dass die Türkei rausgeflogen ist. Andererseits: Womöglich erreichen jetzt die falschen Teams das EM-Finale

Foto: Imago / Sportimage

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Am Ende war ich glücklich bei dem Gedanken, dass Holland die Türkei 2:1 aus dem EM-Turnier geworfen hat. Tausende von türkischen Fans wollten das Viertelfinale im Berliner Olympiastadion missbrauchen und provozierten mit ihrem Wolfsgruß vorm Stadion und auf den Tribünen.

Die Provokateure, gottlob immer noch in der Minderheit, scherten sich kein bisschen darum, dass der europäische Verband Uefa den türkischen Verteidiger Merih Demiral aus gutem Grund für zwei Spiele gesperrt hatte. Jubelposen mit Hassbotschaften haben auf dem Rasen keine Berechtigung.

Ich mag mir nicht ausmalen, was bei einem historischen Einzug ins Halbfinale passiert wäre. Kleiner und Zeigefinger ausgestreckt und die restlichen Finger zur Wolfsschnauze geformt: Das Handzeichen der rechtsextremen Grauen Wölfe wäre zur Bildsprache dieser EM geworden.

Man hat ja gesehen, wie der Stadionbesuch von Präsident Erdogan und seinem servilen Begleiter Mesut Özil die Überschriften während des Türkei-Spiels bestimmten: Es ging nicht mehr um Fußball, sondern Politisches. So eine Europameisterschaft will ich nicht haben.

Mal abgesehen davon, dass Deutschland fehlt: Im Halbfinale am Dienstag und Mittwoch stehen jetzt große Fußballnationen. Zuerst in München Spanien gegen Frankreich, dann in Dortmund Niederlande gegen England. Bei den Paarungen beschleicht mich eine ganz andere Angst.

Es steht zu befürchten, dass die Franzosen und die Engländer mit ihrem Grottenkick das Finale in Berlin erreichen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Frankreich zum Beispiel kroch mit nur drei Toren (davon ein Elfmeter) in die Vorschlussrunde. Und ist nun weiter als Deutschland.

Wir können das doof finden - aber genau das ist Fußball. Meistens attraktiv, manchmal ungerecht, immer emotional. Die Spanier gehen geschwächt in das Frankreich-Spiel: Mittelfeldstar Pedri ist verletzt, Verteidiger David Carvajal gesperrt. Die Franzosen werden das zu nutzen wissen.

Mies kicken und trotzdem gewinnen: Das ist auch eine Qualität. England spielt noch schlimmer. Jeder Auftritt quält meine Augen. Trainer Gareth Southgate aber hält’s mit seinem französischen Kollegen Didier Deschamps: Wer gewinnt, hat recht. Notfalls mit Anti-Fußball.

Deutscher habe ich die Engländer nie spielen gesehen: Sie kämpfen Fußball wie wir in den 80er-Jahren, nicht schön, aber effizient, und schießen beim Elfmeterschießen gegen die Schweiz jeden, wirklich jeden Ball rein. Das kannte man nicht von ihnen. Deswegen stehen sie im Halbfinale.

Mannschaften wie die Niederlande liegen den Engländern: Die anderen machen das Spiel und sie so viele Tore, wie sie brauchen. Auch das vergisst man bei ihnen bei aller Kritik schnell: Das Team um Kapitän Harry Kane und Jude Bellingham hat noch keines der jetzt fünf EM-Spiele verloren. 

Der Southgate-Plan scheint aufzugehen. Das mag mich als Fußballromantiker stören. Aber um Schönheit, siehe oben, ging es noch nie beim Fußball. Ich sehe den Duellen der Fußballkulturen mit Vorfreude entgegen. Und bin ja schon froh, dass es nicht um Politik geht.

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