Die fünf schlimmsten Bayern-Pleiten in Frankfurt
Die Eintracht war mal der Angstgegner des FC Bayern. 19 Jahre lang konnten die Münchner dort nicht gewinnen. Deftig fiel mal ein 0:6 aus
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Es gibt nur drei Bundesligaorte, in denen die Bayern eine negative Bilanz haben. Mönchengladbach, neuerdings Heidenheim – und Frankfurt. Dorthin reist der Rekordmeister am Sonntag wieder mal, es ist sogar ein Spitzenspiel.
Das war es in der Bundesligageschichte recht selten, weil die Klubs meist ein paar Ränge und manchmal Welten trennten. Bloß im Waldstadion war das egal, hier blieben die Bayern in Zeiten von Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge und Lothar Matthäus 19 Jahre lang sieglos, hier verloren sie schon 20mal in der Liga.
Das hier waren die bittersten fünf Niederlagen.
22. November 1975: Eintracht Frankfurt – Bayern München 6:0
Nie verlor Bayern in der Bundesliga auswärts höher, mehr Gegentore gab es nur in Düsseldorf 1978 (1:7), Kaiserslautern 1973 (4:7) und Nürnberg 1968 (3:7). Wie war der Six-Pack anno 1975 möglich?
Die große Bayern-Ära ging allmählich zu Ende. Nach dem 10. Platz 1974/75 hatten sie auch 1975/76 nichts mehr mit der Meisterschaft zu tun und konzentrierten sich auf den Europapokal. Das Gastspiel im Waldstadion am 15. Spieltag machte das den letzten Zweiflern deutlich. Eintracht-Fans, die es erlebten, schwärmen bis heute von diesem November-Samstag. Von sensationellen Kunststücken und einem großartigen Jürgen Grabowski, der das vielleicht beste Spiel seines Lebens machte. Kollege Bernd Nickel sagte danach: „Ich würde ein halbes Jahr nicht mehr spielen, wenn ich Jürgens Gegenspieler gewesen wäre.“ Grabowski überlistete seinen Weltmeisterkameraden Sepp Maier mit einem linken Außenristschuss von der Strafraumkante. Da war das Spiel bereits entschieden und doch hatten die Zuschauer erst die Hälfte der Tore gesehen. Am Ende stand die Einstellung der bis dahin höchsten Bundesligapleite der Bayern (nach einem 0:6 gegen Offenbach 1974, ebenfalls im Waldstadion) – und sie hatten noch Glück. „Wenn wir mit unseren Schüssen in der zweiten Halbzeit genauso viel Glück gehabt hätten wie in der ersten, wäre auch ein 10:0 möglich gewesen“, sagte Eintracht-Trainer Dietrich Weise. Aber einen Kunstschuss gönnten sie sich nach dem Wechsel noch: Bernd Nickel zirkelte Maier eine Ecke direkt ins Tor an einem Tag, als die „Eintracht so gut wie nie“ und „Bayern so schlecht wie nie“ war – wie der Kicker feststellte. Für Franz Beckenbauer war es aber nur „ein Ausrutscher, der jeder Mannschaft mal passieren kann.“
Tore: 1:0 Wenzel (8.), 2:0 Nickel (17.), 3:0 Grabowski (28.), 4:0 Hölzenbein (40.), 5:0 Neuberger (45.), 6:0 Nickel (61.).
2. November 2019: Eintracht Frankfurt – FC Bayern 5:1
Zum zweiten Mal nach seinem Wechsel kehrte Niko Kovac mit den Bayern nach Frankfurt zurück. Dort war er zwar 2018 als Pokalsieger gegangen, aber seine Pokerei hatte ihn Sympathien gekostet. Er bleibe bei der Eintracht, „Stand jetzt“, hatte er gesagt, im Wissen um Bayerns Werben. Er folgte natürlich doch dem Ruf des Geldes, wurde auf Anhieb Double-Sieger, aber nie glücklich in München. Ihm fehlte die Lobby und die Bayern spielten nicht mehr so dominant wie in den Guardiola-Jahren. Seine Geschichte, in der das Wort „ausgerechnet“ nicht fehlen darf, endete an diesem Tag in Frankfurt. Dorthin reisten die Bayern als Zweiter, die Eintracht unter Trainer Adi Hütter war Neunter. Weil Jerome Boateng aber schon nach neun Minuten nach VAR-Intervention wegen Fouls an Goncalo Paciencia vom Platz flog, spielte die unterschiedliche Qualität weniger eine Rolle als die Quantität. 81 Minuten in Unterzahl gegen elf Frankfurter und ein volles Waldstadion – die Bayern führten einen aussichtslosen Kampf. Sie lagen bald 0:2 zurück, ehe Lewandowskis Anschlusstor noch etwas Hoffnung machte. Nach der Pause aber „haben wir uns in einen Rausch gespielt“, frohlockte Hütter und die Bayern kamen völlig unter die Räder. Am Ende hieß es 5:1, wie übrigens auch im vergangenen Dezember, aber das war weniger folgenreich. Kovac konnte sich nicht erinnern, „als Trainer je so hoch verloren zu haben“ und die Minen der mitgereisten Bosse Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Herbert Hainer bedeuteten nichts Gutes. Nach Bayerns höchster Bundesligapleite nach zehn Jahren (1:5 in Wolfsburg) erfüllten sie den Wunsch der Bild am Sonntag. „Herr Hoeneß, erlösen Sie ihren Trainer!“, kommentierte das Blatt. So kam es, nach 490 Tagen endete die planmäßig noch zwei Jahre zu laufende Amtszeit von Niko Kovac an alter Wirkungsstätte in Frankfurt. Ausgerechnet!
Tore: 1:0 Kostic (25.), 2:0 Sow (33.), 2:1 Lewandowski (37.), 3:1 Abraham (49.), 4:1 Hinteregger (61.), 5:1 Paciencia (85.).
15. April 1995: Eintracht Frankfurt – Bayern 2:5 (2:0 gewertet)
Über diese Geschichte lachte die ganze Bundesliga. Als die Bayern erstmals hoch in Frankfurt gewannen und fünf Tore schossen, da zählte es nicht. Warum?
Nur zwölf Profis standen auf dem Spielbericht, auf dem Platz waren es neun. Die Amateure Sven Scheuer, der Oliver Kahn vertrat, und Sammy Kuffour komplettierten die Elf. Nach 25 Minuten humpelte Thomas Helmer vom Platz, mit Marco Grimm kam der dritte Amateur zum Einsatz. Nach 73 Minuten und einer 3:2-Führung entschied sich Trainer Giovanni Trapattoni, damals in seiner ersten Bundesligasaison, Stürmer Marcel Witeczek aus dem Spiel zu nehmen. Er brachte den heute so bekannten Sky-Experten Dietmar Hamann. Damals war er ein Nobody und der Einzige, den Bayern nun nicht mehr einsetzen durfte, denn auch Hamann war Amateur. Für einen vierten Amateur hätten sie eine Sondergenehmigung einholen müssen. Pressechef Markus Hörwick erkannte das Unheil und eilte von der Tribüne, doch die Wege sind weit im Waldstadion. Er kam zu spät, ab Minute 73 war das Spiel für die Bayern verloren, was Eintracht-Manager Bernd Hölzenbein eher merkte als Kollege Uli Hoeneß. „Du, wie viel Amateure haben die Bayern denn auf dem Platz?“, fragte er einen Reporter und erhielt zur Antwort: „Vier und damit einer zu viel.“ Fatal. Im Kampf um den Titel lagen die Bayern ohnehin zu weit zurück, aber es ging noch um einen Platz im Europapokal – und der wackelte nun gewaltig.
Auf dem Platz hatte das Missgeschick noch keiner registriert, die Bayern schossen noch zwei Tore und jubelten nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Eugen Strigel. Das war der höchste Sieg, den sie je im Waldstadion eingefahren hatten – glaubten sie jedenfalls. Komisch kam ihnen nur vor, dass Hoeneß einen Maulkorb verhängte und sie in die Kabine winkte. Dann gab der untröstliche Trapattoni seinen Fehler zu. Hoeneß unterstützte ihn: „Das ist menschliches Versagen. Es ist auch meine Schuld und die von Klaus Augenthaler und peinlich ist es allemal.“ Da Eintracht sofort Protest einlegt, ging alles seinen Weg.
Der Einsatz eines nicht spielberechtigten Spielers zog nach dem Lizenzspielerstatut §25, Absatz 4, nach sich, dass „das Spiel für den Verein als verloren zu werten“ ist. So wurde eine Woche später vor dem Sportgericht aus dem 5:2 ein 0:2 und bis zu seiner Wutrede 1998 war der Wechselfehler von Frankfurt die bemerkenswerteste Episode in der Trapattonis Bayern-Zeit.
Tore: 0:1 Schupp (6.), 1:1 Okocha (14.), 2:1 Reis (41.), 2:2 Witeczek (45.), 2:3 Ziege (48.), 2:4 Frey (80.), 2:5 Zickler (83.).
20. Oktober 1979: Eintracht Frankfurt – Bayern München 3:2
Nach fünf titellosen Jahren wollten die Bayern die Schale wieder nach München holen. Es war das Jahr eins unter Jung-Manager Hoeneß, der dem einstigen Co-Trainer Pal Csernai sein Starensemble anvertraute. Das wurde vom Duo „Breitnigge“ geführt: Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge waren die unumstrittenen Anführer im Team. Mit ihnen sollte auch die Minusserie im Waldstadion, wo sie sechs Pflichtspiele in Folge verloren hatten, enden. Der Fünfte empfing den Dritten, das Waldstadion platzte wie immer bei diesem Duell aus allen Nähten (60.000 Zuschauer). Die Bayern dominierten und lagen zur Pause vorn (0:1). „Sie sind taktisch besser“, lobte Alt-Bundestrainer Helmut Schön. Als Rummenigge nach 61 Minuten auf 0:2 erhöhte, schien sich die Wende in diesem Duell anzudeuten. Doch nicht mit der Eintracht: Trainer Friedel Rausch schickte Abwehrchef Charly Körbel nach vorne und wechselte Bayern-Schreck Bernd Nickel (Dr. Hammer) ein. Beide trafen prompt, Nickel per Freistoß. Das Siegtor markierte ein Amateur: Harald Karger, wegen seiner Kopfballstärke „Schädel-Harry“ genannt. Binnen elf Minuten drehte Eintracht das Spiel komplett und der Schädel brummte hinterher nur den Bayern. Hoeneß gab noch Jahrzehnte später zu, dass er nach diesem Spiel die ganze Nacht nicht schlafen konnte.
„Der FC Bayern weiß wohl auch jetzt noch nicht, wie er dieses Spiel verlieren konnte“, schrieb der Kicker am Montag darauf. Breitner hatte zumindest eine Theorie: „Vielleicht war ein Teil unserer Mannschaft von dem 2:0 so überrascht, dass er damit nicht fertig wurde.“ Es blieb das einzige Mal, dass die Bayern in Frankfurt einen Zwei-Tore-Vorsprung verspielten.
Tore: 0:1 Horsmann (19.), 0:2 Rummenigge (61.), 1:2 Körbel (67.), 2:2 Nickel (70.), 3:2 Karger (78.).
14. April 1974: Eintracht Frankfurt – Bayern 3:2 (DFB-Pokal)
Nie regten sich die Bayern mehr über eine Niederlage in Frankfurt auf als 1974. Allen voran der deutsche Fußball-Kaiser war außer sich vor Zorn. „Das sind Diebe!“, empörte sich Franz Beckenbauer Stunden später auf dem Frankfurter Flughafen über den Schiedsrichter Heinz Aldinger und die Stars der Eintracht, Jürgen Grabowski und Bernd Hölzenbein. Denn an diesem Ostersamstag war der amtierende Meister durch einen sehr umstrittenen Elfmeter in letzter Sekunde im Halbfinale aus dem DFB-Pokal ausgeschieden.
Torwart Sepp Maier erklärte den Namen „Aldinger“ prompt zum Schimpfwort. Sein Trainer Udo Lattek sagte der Presse: „Spiele werden nicht mehr von den Akteuren, sondern von den Schiedsrichtern entschieden.“
Das Halbfinale zwischen den Hessen und den Bayern war kein Spiel für schwache Nerven und endete 3:2 – nach drei Elfmetern und fünf Toren, die alle in der zweiten Hälfte fielen.
Die Bayern waren damals gerade auf dem Weg zum ersten von drei Europapokalsiegen in Serie. Aber auch die Eintracht unter Trainer Dietrich Weise hatte eine Spitzenmannschaft, die auf Platz Vier stand. 69.000 Zuschauer waren an jenem 14. April 1974 ins Waldstadion geströmt, das Rekordbesuch vermeldete. Zunächst wurden sie enttäuscht und sahen eine torlose erste Hälfte. Weise verschärfte deshalb in der Eintracht-Kabine die Tonlage: „In der Pause musste ich eine kleine Ansprache halten.“ Seine Botschaft fruchtete und schon nach 49 Minuten glückte Hölzenbein nach einem 40-Meter-Pass von Uwe Kliemann das 1:0. Doch die Bayern schlugen zurück: Uli Hoeneß und Paul Breitner per Elfmeter drehten die Partie binnen zwei Minuten. Kurz darauf zeigte Aldinger erneut auf den Punkt und sah ein Foul von „Katsche“ Schwarzenbeck an Hölzenbein. Nicht nur für die Fußball-Woche trug dieser Elfmeter „alle Züge einer Konzession“. Doch Sepp Maier, sonst kein Elfmetertöter, hielt Grabowskis Schuss! Die Hessen blieben dran, Peter Rohrbach glich in der 68. Minute aus. Alles roch nach Verlängerung, als Hölzenbein noch einmal in den Strafraum eindrang und Verteidiger Johnny Hansen ihm den Ball wegspitzelte. Hölzenbein aber übte schon einmal den Schwalbenflug, der Deutschland drei Monate später im WM-Finale einen Elfmeter bringen sollte. Auch seiner Eintracht half er, denn zum dritten Mal pfiff Aldinger Elfmeter. Das Stadion kochte, die Bayern schäumten und ein Mann behielt die Nerven: Verteidiger Jürgen Kalb schoss die Eintracht ins Finale, das sie gegen den HSV 3:1 gewann. Die Bayern mussten noch acht Jahre auf den nächsten Pokalsieg warten.
Tore: 1:0 Kliemann (49,), 1:1 Hoeneß (49.), 1:2 Breitner (51., Elfmeter), 2:2 Rohrbach (68.), 3:2 Kalb (89., Elfmeter).