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Debütant Nagelsmann: Schafft er die Sensation?

Vor lauter Neustart-Diskussion fast vergessen: Das US-Team ist bei der Premiere des neuen Bundestrainers am Samstag Favorit

Foto: Imago / Schüler

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Wir alle gucken Samstag Abend bang über den großen Teich. Hält in Hartford/USA die lange Serie? Zuletzt 1998, also vor 25 Jahren, verlor ein Bundestrainer seine Premiere – es war der auch anschließend chronisch erfolglose Erich Ribbeck. 0:1 spielte sein Team um Kapitän Oliver Bierhoff, der ja diese Woche als Gast zum DFB-Team stieß, gegen die Türkei. Ribbeck ist damit auch der einzige Bundestrainer in der fast 100-jährigen deutschen Übungsleitergeschichte, der sein erstes Länderspiel verlor.

Diese Statistik wiegt morgen Abend schwerer als eine Union-Berlin-Niederlagenserie. Denn ribbeckbereinigt bieten die Vorgänger von Julian Nagelsmann clean sheet, wie der Ami sagt. Schon Professor Otto Nerz, der erste Bundestrainer (zu jener Zeit Reichstrainer genannt), feierte sein Debüt mit einem 3:2 gegen die Holländer; das war 1926 und vier Jahre vor Erfindung des Wohnwagens. Der Prof war damals übrigens erst 34 und damit zwei Jahre jünger als sein Nachnachnachnachnachnachnachnachnachnachnachfolger.

Richtig gezählt: Von 1926 bis heute hatte die Nationalmannschaft ganze zwölf Chefs an der Seitenlinie. Genau so wenige wie der HSV – nur der halt seit 2011.  

Wagt Bundestrainer Nagelsmann die Kimmich-Revolution?
Will Julian Nagelsmann erfolgreich sein, muss er das Mittelfeld-Rätsel im DFB-Team lösen. Daran ist schon sein Vorgänger gescheitert. Wer spielt mit wem? Bleibt Kimmich die Konstante, muss ein Zerstörer neben Gündoğan geschoben werden? Fragen, die bis zum neuen Sommermärchen beantworten werden müsse…

Wie auch immer: Nagelsmann hat bestimmt keine Lust, morgen die sehr kurze Ribbeck-Liste zu ergänzen.

Wenn man genauer darüber nachdenkt, wäre es andererseits ungerecht, ihn nach ein paar Tagen durch die Gegend fliegen und ein bisschen Trainings-Tamtam an diesem ersten Spiel zu messen.

Erstens hat die USA Heimrecht und ist als Weltranglisten-Elfter Favorit –  wir dürfen nicht vergessen, dass sich die deutsche Nationalmannschaft unter Hansi Flick auf Platz 15 heruntergewirtschaftet hat. Ein Auswärtssieg gegen die sicherlich bis zur Matthäuisierung selbstbewussten Amis, die keine Ahnung haben, wer oder was Füllkrug ist und ob man Hofmann mit einem oder zwei "f" schreibt und Pascal Groß der Sohn des Superschwimmers ist oder nicht, wäre eine kleine Sensation.

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Zweitens geht es gegen die USA darum, zu schauen, was geht und was nicht geht. Ich bin diesbezüglich maximal geduldig, solange das nicht ausartet wie unter Nagelsmann-Vorgänger Hansi Flick, der kontinentunabhängig die ganze Zeit geschaut hat, was geht und was nicht geht, bis gar nichts mehr ging.

Was ich in Hartford aber sehr gern sehen würde: Lust. Lust auf den Ball, auf Zweikämpfe, aufs berühmte Sichzerreißen. Und Becker-Fäuste.

Ach, bei altgedienten Fernsehzuschauern hat es sicherlich längt geklingelt: In Hartford/Connecticut rang Boris Becker 1987 John McEnroe nieder: Sechs Stunden und 21 Minuten dauerte die "Schlacht von Hartford", Bobbele gewann das Jahrhundert-Daviscupspiel in fünf Sätzen, frottierte den Schweiß danach mit einer Deutschlandfahne. Und hierzulande saßen gefühlt 1,4 Milliarden Menschen vor ihren Fernsehern.

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Die deutschen Spieler haben morgen nur etwas mehr als 90 Minuten Zeit. Ein Sieg gegen die Amis würde aber ganz gut rüberkommen im erfolgsunverwöhnten Vorrundenaus-Deutschland. Ob Nagelsmann dabei mit fünf Sätzen auskommt, darf man aber verzweifeln.

Und falls er doch verlieren sollte, bleibt uns ein Trost: Franz Beckenbauer versemmelte sein Auftaktspiel ebenfalls – 1:3 gegen Argentinien. Okay, ich gebe zu, diese Info kommt etwas verzögert im Text, aber inklusive einer schlüssigen Auflösung: Der Kaiser war eben nicht Bundestrainer, sondern nur Teamchef.

Und vor allem wurde er später: Weltmeister.

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