Als die Bundesliga die Bayern verpönte
Heute vor 60 Jahren startete die Bundesliga eine Reise ins Ungewisse. Und wollte die Bayern zuerst nicht dabei haben.
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Als letztes Land in Europa bekam Deutschland heute vor 60 Jahren eine zentrale erste Liga: die Bundesliga. Schon bevor es losging, gab es viel Aufregung: Um die Bayern, die nicht dabei waren. Wie konnte das sein?
Vorhang auf, Bühne frei für den Zirkus Bundesliga.
16 Mannschaften sind bei der Premiere dabei, der DFB hat sich an der Größe der alten Oberligen orientiert. In der Diskussion waren auch 18 oder 20, angeregt unter anderen von den Bayern – denn die durften nicht dabei sein. Warum?
Nach dem DFB-Beschluss am 28. Juli 1962, ab 1963/64 endlich eine Bundesliga auszurichten, begann das Gerangel um die 16 Plätze, um die sich 46 Vereine bewarben. Der Oberliga Süd (mit Bayern) standen fünf Plätze zu.
Das Einfachste wäre es gewesen, sie an die ersten Fünf der Tabelle zu vergeben. Doch stattdessen wurde eine Zwölf-Jahres-Wertung zu Rate gezogen, ferner wurde es zur Bedingung gemacht, dass ein Bundesligist 35.000 Zuschauerplätze und eine Flutlichtanlage anbieten musste.
Das Grünwalder-Stadion, in dem Bayern und 1860 im Wechsel spielten, erfüllte diese Kriterien. Und wie war es mit der Zwölf-Jahres-Wertung? Da lag der FC Bayern mit 288 Punkten klar vor dem TSV 1860 (229). Als Sechster beziehungsweise Achter des Südens hätten sie allerdings beide zusehen müssen. Wobei ohnehin nur einer hinein gekommen wäre, denn der DFB hielt es in der Startsaison für nicht angebracht, „zwei Vereinen am gleichen Ort eine Lizenz für die Bundesliga zu erteilen.“
Wenn aber ein Verein aus München, dann hätten es doch die Bayern sein müssen – waren sie an der Säbener Straße fest überzeugt. Am 11. Januar 1963 traf der fünfköpfige Bundesliga-Ausschuss eine erste Vorauswahl und vergab die ersten neun Start-Plätze, die beiden Münchner fanden sich auf einer Warteliste wieder, die noch 20 Klubs enthielt.
Plötzlich ließ der DFB aber wissen, dass man den Süddeutschen Meister keineswegs außen vor lassen könne – und das war Bayerns Pech. Denn in diesem Jahr hatten die Löwen eine besonders starke Elf und holten diesen Titel mit vier Punkten vor den Bayern. In den Derbies (3:1, 1:3) herrschte Gleichstand. Tragisch: Die Zwölf-Jahres-Wertung spielte plötzlich keine entscheidende Rolle mehr und am 6. Mai 1963 fiel im Hamburger Hotel „Europäischer Hof“ das vorläufige Todesurteil für die Bundesliga-Ambitionen der Roten. 1860 war dabei, sie nicht.
Doch es blieb eine Hintertür: der Ausschuss schlug dem DFB-Beirat vor, die Liga auf 18 Klubs zu erweitern. Derweil setzten sich die Bayern zur Wehr. Nach Eingang der offiziellen Ablehnung am 11. Mai legte Präsident Wilhelm Neudecker auf 13 Seiten Beschwerde ein gegen die „fadenscheinigen Begründungen“. Zitat Neudecker: „Wir spekulieren nicht auf Einteilung in die Bundesliga, sondern wir rechnen sicher damit dass uns zu unserem Recht verholfen wird.“
Die öffentliche Meinung stand hinter ihnen, die nicht nur in Leserbriefen Ausdruck fand. In München fassten die Vorstände von 250 Sportvereinen eine Resolution ab und beantragten Bayerns Bundesliga-Zugehörigkeit. Selbst Löwen-Boss Albert Wetzel sagte: „Wir bedauern aufrichtig, dass der FC Bayern noch nicht in die Bundesliga aufgenommen wurde.“
Drei Münchner Juristen gründeten gar einen „Interessensverein zur Wahrung der Rechte des FC Bayern“. Sie schickten dem DFB ein Telegramm und forderten die Aufstockung auf 20 Vereine. Angeblich, „unternehmen wir unsere Aktion unabhängig vom FC Bayern – sondern weil wir Unrecht festgestellt haben.“
Der renommierte Sport-Journalist Richard Kirn schrieb am 13. Mai im Sport Magazin: „Was hier den Bayern angetan wurde, ist unfair und unsportlich. Es wurde nie mit offenen Karten gespielt. Vor jedem bürgerlichen Gericht würden, wenn es soweit käme, diese Herren wegen Arglist verurteilt. Denn es war immer und von vornherein ein Unding, einen Wettbewerb stattfinden zu lassen, ohne die Teilnehmer wissen zu lassen, nach welchen Regeln gespielt wird.“
Allein, es half alles nichts. Am 1. Juni 1963 wurden die Beschwerden der Bayern und zwölf anderer Vereine im Kölner Hotel „Mondial“ nach zehnstündiger DFB-Tagung abgelehnt. Kickers Offenbach, Alemannia Aachen und zunächst auch die Bayern wollten vor ein ordentliches Gericht ziehen, als der DFB-Beirat am 14. Juni auch die Hintertür zuschlug und die Vergrößerung auf 18 Klubs mit 20:8 Stimmen ablehnte. Während Kickers Offenbach und Alemannia Aachen das Tabu brachen, gegen den Verband zu klagen, zogen die Bayern Mitte Juli ihre Klageandrohung zurück. Dafür erhielten sie viel Beifall. Sie sparten sich Ärger, Geld und Zeit – und eine Niederlage, wie sie Aachen und Offenbach ereilte.
Umso motivierter zogen sie 1965 in die Bundesliga ein, die sie längst dominieren. Und obwohl ihnen zwei Jahre fehlen, haben sie mittlerweile auch die größte Bundesligaerfahrung.