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Breitensport fördert Demokratie

Man kann nicht hoch genug wertschätzen, wie die Gesellschaft vom Amateursport profitiert. Die Frage ist: Warum riskieren wir das?

Im Sinne der Sporthilfe: Christian Seifert bei Franziska van Almsick. Foto: Imago / Hartenfelser
Im Sinne der Sporthilfe: Christian Seifert bei Franziska van Almsick. Foto: Imago / Hartenfelser

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"Funktionierender Breitensport ist die beste Demokratieförderung."

Dieses Zitat stammt von Christian Seifert, Aufsichtsrat der Deutschen Sporthilfe, der fortfährt: "Seine Förderung ist wirksamer als jedes Demokratiefördergesetz. Über die Förderung des Breitensports werden Werte vermittelt wie Leistungsbereitschaft, Disziplin, Teamgeist und zwar unabhängig von Alter, sozialen Schichten, Hautfarbe, Religion und Geschlecht. Das kommt mir gerade viel zu kurz in der Sportpolitik."

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Das maue deutsche Abschneiden bei Olympia löst eine Diskussion aus. Muss im deutschen Sport schleunigst umgesteuert werden? Ja, meint Christian Seifert. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Sporthilfe sieht ein Abbild „des aktuellen Deutschlands in der Welt“.

Auf die Zivilgesellschaft, zu der sich Sportvereine zählen können, kommen neben der Krise des Ehrenamts und demografischen Problemen noch ganz andere Herausforderungen zu. Die zusammengestrichenen Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen sind das eine. Der Angriff über Rechtsaußen das andere. Viele Vereine sind längst unterwandert, übrigens kein reines „Ost-Problem“. Das gilt für Amateurclubs, aber auch Berichte aus Fankurven in Aachen, Cottbus, Dortmund oder bei Lok Leipzig verheißen nichts Gutes.

Der DFB muss sich auf das Handeln seiner Landes- und Regionalverbände verlassen. Dass die nicht immer das glücklichste Händchen haben, zeigte der Versuch des Nordostdeutschen Fußball-Verbands, ein Trikot von Tennis Borussia Berlin mit der Aufschrift „CURA Opferfonds rechte Gewalt“ zu verbieten. Wir drohten wir damals mit Selbstanzeige, denn in der NOFV-Logik dürfte dann NO RACISM auf den Shirts des FC Internationale oder „Catenaccio gegen Rassismus“ von Hansa 07 auch nicht erlaubt sein.

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Im Streit darum, welche Botschaften auf Trikots zu sehen sein dürfen, hat Regionalligist Tennis Borussia Berlin weitere Unterstützung erhalten. Landesligist FC Internationale Berlin meldete sich mit einer satirischen Selbstanzeige zu Wort - man selbst spiele schließlich seit Jahren schon mit dem Slogan “No Racism” auf der Brust.

Nebenbei: Gründerin von CURA war Ursula Kinkel, die Ehefrau des ehemaligen Bundesaußenministers, absolut unverdächtig ob undemokratischer Umtriebe. Am Ende musste der Fußballverband klein beigeben, gut so. Doch größere Gefahren lauern. Trainer sind durchaus in der Lage, undemokratisches Gedankengut an ihre Spieler weiterzugeben. Vorstände können großen Schaden anrichten, wenn sie sich gegenüber Rechtsextremisten nicht abgrenzen (wollen).

Ein unheilvoller Trend zeichnet sich ab. Während uns einige Funktionäre immer noch einreden wollen, der Sport wäre unpolitisch, geht es bei einigen Clubs längst ans Eingemachte. Dass längst auch Freiwillige Feuerwehren unterwandert werden, bestätigt den Trend. Laut Deutscher Sportjugend ist klar: Der gemeinnützige Vereins- und Verbandssport muss parteipolitisch neutral sein, aber nicht gesellschaftspolitisch! Weshalb Vereinsvorstände keine Wahlempfehlung für eine Partei abgeben sollten. Wohl aber dürfen sie Haltung zeigen: für Teilhabe und Solidarität, gegen Rechtsextremismus und Rassismus.

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Seifert, auch Chef des Streamingdienstes Dyn und früherer Geschäftsführer der DFL, sagt auch: „Der Breitensport hat zu wenig Reputation und viel zu wenig Lobby in der Öffentlichkeit in Relation zu dem, was er leisten kann“. Wo er Recht hat, sollten wir ihm nicht widersprechen.

Die sportliche Praxis nimmt eh keine Rücksicht auf die Weltlage. Es nicht ausgeschlossen, dass auf dem Platz Russen mit Ukrainern oder Israelis mit Palästinensern miteinander oder gegeneinander spielen. Bisher hat es nur wenige Vorfälle gegeben, auch wenn es scheint, einige Journalisten würden danach lechzen. Vielleicht ist der Sport resilienter als viele glauben. Hilfreich sind auf jeden Fall besonnene Menschen auf Trainerbänken und in Vorständen.

Christian Seifert spricht dem Breitensport aus dem Herzen. Seine Worte werden die meisten Sportlerinnen und Sportler gutheißen. Im Alltag gibt es vereinzelte Leuchtturmprojekte, die gern für Fototermine von Amtsträgern genutzt werden. Wenn es aber um nachhaltige Unterstützung geht für die Basis geht, werden Politiker schmallippig. Doch auch die vielen Stiftungen und sonstigen Förderinstitutionen nutzen die Möglichkeiten allerhöchstens ansatzweise. Die viel beschriebene und gescholtene deutsche „Projektitis“ vermiest Antragstellern die Laune, weshalb Sportvereine Fördertöpfe nur sehr selten in Anspruch nehmen. Sie sind auf die Regularien nicht vorbereitet.

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Eigenartige Regeln gelten, wenn es um Demokratie in Sportverbänden geht. Vor allem herrschen Intransparenz und Hinterzimmerpolitik. Am Ende stehen die schon bekannten Funktionäre auf dem Stimmzettel, unliebsame Konkurrenz wird schon im Vorfeld eliminiert. So werden dringend nötige Innovationen ausgebremst. Sehr selten setzen sich Underdogs durch. In den Ämtern angekommen, stellen sie fest, wie langsam die Verbandsmühlen mahlen. Sicher, gesellschaftliche Verantwortung hat einen höheren Stellenwert als früher. Aber bahnbrechende und vor allem nachhaltige Ergebnisse werden nur sehr selten erzielt.

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Vereine, die sich mit gesellschaftspolitischem Engagement hervortun, ob nun in der so genannten Integrationsarbeit, bei Nachhaltigkeitsthemen oder gegen Diskriminierung, brauchen einen langen Atem. Vor allem aber müssen sie neuerdings aufpassen, nicht ins Visier von Feinden der Demokratie zu geraten, welche die Gemeinnützigkeit angreifen.

Nicht alle Vereinsvorstände haben eine stabile juristische Unterstützung, einige knicken lieber ein, als in die Auseinandersetzung zu gehen. Das kann man ihnen nicht verdenken, zehrt das Ehrenamt doch ohnehin schon an den Kräften. Die Sportverbände sollten sich darauf einrichten, Vereine verstärkt unterstützen zu müssen. Denn wenn die von Christian Seifert benannten Werte nicht in großem Maße gestärkt werden können, weil die Energie an anderer Stelle benötigt wird, kriegen wir das mit der Demokratieförderung nicht hin. Die Folgen werden nicht nur die Sportvereine spüren.

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