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Beckham statt BVB: Ich hab's nicht bereut

Die neue Netflix-Doku über den Superstar gibt tiefe Einblicke und ist richtig gut

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Ich habe etwas Verrücktes getan. Ausgerechnet am Champions-League-Mittwochabend habe ich angefangen, eine Doku zu gucken. Es war eine weise Entscheidung. Ich rede von der nagelneuen Beckham-Doku auf Netflix. Sie fesselte mich von Anfang an so sehr, dass ich glatt die ersten 60 Minuten Dortmund gegen AC Milan versäumte. Das sagt eigentlich alles über die Qualität der Doku und übrigens auch über Borussia Wir-haben-super-gespielt-und-sind-trotzdem-Letzter Dortmund.

Ich bin nicht ganz fertig geworden mit der Dokumentation, sie dauert fast fünf Stunden. Bisher war sie jede Sekunde wert. Während der BVB sich ein 0:0 gegen Mailand ertaumelte, erlebte ich tolles, ehrliches, spannendes, gut gemachtes, emotionales, witziges Fußballfernsehen – und damit alles, was die meisten deutschen Fußballdokus mit ihrer Mischung aus ein paar Umkleidekabinenszenen und dem Rest Hotelzimmerinterviews leider nicht bieten können.

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Ich habe gestern weitergeschaut, Folge zwei, wie im Wahn. Ich wurde Beckham. Gemeinsam mit ihm machte ich nach unserer Roten Karte bei der WM 1998 eine harte Zeit durch, schämte mich dabei ein bisschen fremd für monatelang geifernde "Fans" in den englischen Stadien und aus beruflichen Gründen sehr fremd für meine britischen Journalistenkollegen, die den ManU-Star wegen eines Minitritts gegen Diego Simeone gnadenlos durch den Fleischwolf drehten.

Man erfährt in dieser Doku soviel Interessantes! Zum Beispiel, dass die psychologische Betreuung traumatisierter Spieler damals noch darin bestand, ihnen auf die Schulter zu klopfen und "Wird schon!" zu sagen.

"Beckham" ist schön, weil die Welt eine andere war und wir den Aufstieg des Arbeiterkinds zum Weltweitglitzerstar, der bei seiner Hochzeit einen lila Anzug trägt, miterleben, dabei wahnsinnig viele Einblicke hinter die Kulissen bekommen und tatsächlich, ich gestehe, beide Beckhams zu mögen beginnen. Sie haben guten Humor und sparen sich dabei selbst nicht aus.

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Nur der Vater mit seiner 1400-Beckham jr.-Spiele-Videosammlung ist ein bisschen weird. Andererseits: David enthüllt, dass sein Dad ihn früher zehntausendmal die später berühmt-berüchtigten Beckham-Flanken üben ließ, und zwar, bis sie auf den Zentimeter genau ankamen; eine Watzke-Gedenk-Kinderqual, für die man Papa Beckham ewig dankbar sein muss.  

Einmal erzählt der inzwischen 47  Jahre alte, optisch jetzt generalüberholte Sohn, er mache oft noch abends, wenn schon alle im Bett sind, allein die Küche sauber, weil er es hasst, wenn morgens lauter dreckige Gläser und Teller herumstehen. Selten war ich ihm näher als in diesem Moment – seine Flanken und Tore konnte ich nie, aber das mache ich genauso.

Die Doku hat sogar für eine Steudel-Premiere gesorgt; dass ich mich über den Sekundentod der Bayern im Champions-League-Finale 1999 freue. Es wird nämlich deutlich, wie wichtig das 2:1 nach Horrorjahr für Beckhams Entwicklung war. Ich hätte fast mitgejubelt.

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Ich saß damals übrigens im Stadion und fluchte, aber aus eher beruflichen Gründen, denn ich hatte gerade meinen "1:0! Bayern gewinnt das Triple!!!"-Text in die Redaktion geschickt – seither habe ich ein gespaltenes Verhältnis zu späten Lastwechseln in Fußballspielen.

Einmal in jener Beckham-Zeit begegnete ich dem Engländer selbst, und zwar unten neben dem Rasen des Münchner Olympiastadions. Ich fragte ihn, ob er etwas zum Spiel sagen wolle: Er schwieg nur, schaute mich nicht mal an und ging einfach weiter in seinem schicken Anzug. Ich fand ihn arrogant. Jetzt verstehe ich ihn besser. So gesehen, hat die Doku für mich reinigendere Wirkung als ein Sack Heilerde.

Aber weil ich hier a) nicht alles spoilern will und b) auch mal ein bisschen arbeiten muss, werde ich jetzt Schluss machen und die letzten zwei Stunden der Beckham-Doku am Wochenende ansehen.

Ich habe mir schon einen geeigneten Zeitraum ausgeguckt, in dem nicht die geringste Gefahr besteht, dass ich eine Übertragung auf Beckhamdoku-Niveau verpasse: Samstag, 18.30 Uhr, gleich nach dem Anpfiff Bremen-Hoffenheim.

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