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Reiches England, Armenhaus Bundesliga
Die Premier League baut ihren Vorsprung aus und kassiert künftig über drei Milliarden Euro TV-Geld pro Jahr - dabei könnte Deutschland aufholen
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Als ich gestern die neuen Zahlen aus England sah, dürften sich meine Augen weiter geöffnet haben als die von Erling Haaland, wenn er mit dem Schiedsrichter verhandelt. Die Premier League kassiert bald 3,3 Milliarden Euro jährlich für ihre nationalen und internationalen Fernseh-Übertragungsrechte. Mit diesem Geld könnte sich der HSV jede Saison 75 komplette Zweitligakader zusammenkaufen und dann den besten einsetzen und wieder nicht aufsteigen.
3,3 Milliarden sind eine wirklich stolze Summe. Die Bundesliga lebt im Vergleich dazu den Schalke-Modus. Nur 1,3 Milliarden Euro Fernsehgeld bekommt sie pro Jahr aus In- und Ausland. Das würde gerade so für einen (!) Kader von Manchester City reichen.
Warum das so ist? Ganz einfach: Weil die Engländer schlauer sind als wir. Dort gelten die Regeln der Marktwirtschaft, bei uns die der Vereinsmeierei. England ist Amazon, wir sind Kaninchenzüchterverband. Im Klartext: In der Premier League sind Investoren erlaubt (wie halt in allen anderen Bereichen des Lebens auch) und die Mannschaften entsprechend attraktiv besetzt.
Natürlich will ich keine windigen Oligarchen oder Diktatoren nach Deutschland locken. Aber man könnte es ja mit einem Anforderungskatalog für Bundesliga-Investoren versuchen: „Sollte schon mal eine Wahlkabine von innen gesehen haben“. Oder: „Darf daheim niemandem die Rübe abhauen“.
Helfen würde auch, wenn sich die Bayern-Verfolger zusammenreißen könnten. Was die Bundesliga braucht, ist Spannung. Welcher TV-Sender macht Milliarden locker, wenn er bereits im August „Wir gratulieren dem FC Bayern München zur kommenden Meisterschaft“ einblenden kann? Wenn also immer derselbe Verein gewinnt, weil die anderen zu doof sind.
Seit 2010 haben in der Premier League fünf verschiedene Klubs die Trophy geholt. An der Tabellenspitze der Bundesliga herrschte in diesem Zeitraum eine Artenvielfalt wie im Ganges 200 Meter hinter einer indischen Chemiefabrik. Zwölfmal gewannen die Bayern, zweimal der BVB, ansonsten tote Hose.
Die Bundesliga war einst Top of the Pops, die Premier League vor 35 Jahren am Boden. Es gab damals sogar eine Saison, in der überhaupt kein erstklassiger Fußball übertragen werden konnte, weil niemand auch nur ein paar lausige Pfund bot. Inzwischen haben uns die Engländer krasser überholt als Leroy Sané Mats Hummels.
Was braucht es, um die Bundesliga wieder zur stärksten und reichsten der Welt zu machen? Klar, mehr Geld, also bessere Spieler. Wenn bei uns Stand heute ein Profi den Durchbruch schafft, klebt schon während des Interviews in den Stadionkatakomben ein Preisschild auf seinem Rücken. Nix wie weg, flüstert sein Berater, England oder Spanien, Hauptsache Italien!
Harry Kane ist die rühmliche Ausnahme, er reiste in die umgekehrte Richtung. Und kam natürlich zum FC Bayern. Die anderen Klubs würden sich für so einen Spieler nicht mal trauen, den Putzdienst ihrer Hausbank anzurufen. Sie suchen lieber Talente, bilden sie aus, und während die Karotte schließlich vor den eigenen Fans hängt, wird schon am Export gearbeitet.
Nein, eine Ausbildungsliga wird niemals 3,3 Milliarden bekommen, aber dafür jede Menge Mitleid. Oder diese Kolumne hier.
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