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Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!
Als ich noch in München arbeitete, traf ich Andreas Brehme regelmäßig zum Nudeln essen bei seinem Lieblingsitaliener „Italia im Tal“. Wir plauderten über dies und das – er am liebsten über den italienischen, ich über den deutschen Fußball. Irgendwann lief das Gespräch immer auf Franz Beckenbauer hinaus.
Andreas Brehme liebte den Kaiser. Er schimpfte über den DFB, der sich von Franz Beckenbauer über die Jahre distanziert hatte, und schwärmte von den Besuchen bei ihm zu Hause, der gemeinsamen freien Zeit und jedem Anzeichen einer gesundheitlichen Verbesserung bei seinem ehemaligen Teamchef.
Einen hat Andreas Brehme nie thematisiert: Andreas Brehme. Nicht sein Finaltor beim WM-Sieg 1990. Nicht seine Profikarriere bei Bayern München und Inter Mailand. Nicht seinen eigenen Gesundheitszustand. Ich musste ihn fast drängen, dass er Stargast beim Sport1-Doppelpass wurde. Er mochte das eigentlich nicht.
Sein Tod traf mich gestern unerwartet. 63 ist kein Alter, um zu gehen. Ich denke an sein neckisches Lachen, an die vielen Jahre, die wir uns kannten, an die immer unterhaltsamen Begegnungen. Zuletzt hatten wir ein kleines Kunstprojekt begonnen, das uns beiden Spaß machte. Ich hätte es gerne mit ihm beendet.
Natürlich ist Andreas Brehme Mitglied in der Hall of Fame des Fußballmuseums in Dortmund. Ich hatte die Ehre, ihn 2019 für das erste Buch der Ruhmeshalle zu portraitieren, und würde das Portrait als eines meiner besseren Stücke bezeichnen. Ich hoffe, es wird seinem Andenken gerecht. Ruhe in Frieden, mein Freund.
Einen trauernden Mittwoch wünscht
Euer Pit Gottschalk
Andy Brehme und der Moment für die Ewigkeit
Von Pit Gottschalk
Der eine Moment, der alles verändern kann. Der Moment, wenn dir die ganze Welt auf die Füße schaut. Die Mitspieler auf dem Rasen. Teamchef Franz Beckenbauer mit seinem Trainerstab draußen am Spielfeldrand. Fast 73.000 Zuschauer im viel zu weitläufigen Olympiastadion von Rom. Knapp 29 Millionen im bald wiedervereinigten Deutschland. Vermutlich ein Milliardenpublikum an den Fernsehgeräten weltweit.
Ein solcher Moment, erschaffen für die Ewigkeit, macht dich zu einem einsamen Menschen. Es gibt nur: dich und den Ball. Andreas Brehme verliert, bevor er am 8. Juli 1990 Ball und Fußballhistorie auf jenem Elfmeterpunkt in Rom zurechtlegt, jedes Zeitgefühl. “Sieben, acht Minuten” habe das lästige Vorgeplänkel gedauert, sagt er hinterher. In Wirklichkeit sind es handgestoppte 90 Sekunden. Später wird Brehme darüber lachen.
Er selbst will erst Tage später im Sardinien-Urlaub die Bedeutung des einen Moments begriffen haben, diese 85. Spielminute im WM-Endspiel gegen Argentinien, die seitdem sein Leben bestimmt. Der Steilpass von Lothar Matthäus in den Strafraum. Die Grätsche von Roberto Sensini gegen Rudi Völler. Der Pfiff von Schiedsrichter Edgardo Codesal Mendez. Und er – plötzlich am Elfmeterpunkt. Alleine. Andreas Brehme schmunzelte, wenn er darüber sprach.
Immer und immer wieder sollte er Leuten Anekdoten von diesem Moment im WM-Finale von 1990 erzählen, “jeden Tag”, wie er sagte, und an Jubiläumstagen noch ein paar mehr. Von seinen Gedanken beim Torschuss unten links. Seinem Respekt vor Torwart Goycochea. Seinem Dialog vorher mit Völler. Seiner Beziehung zu Matthäus. Von seiner Karriere. Die Sätze klangen jedes Mal gleich und trotzdem nicht auswändig gelernt.
++ Champions League aktuell ++
Nur 1:1! Elfmeter-Zoff macht BVB wütend
Schiri-Entscheidung bringt den BVB um eine glänzende Ausgangsposition, der deutsche Fußball trauert um Andy Brehme, der FC Liverpool muss lange auf Jota verzichten. Malte Asmus bringt euch auf den Stand. Zum Podcast: Hier klicken!
⚽️ Champions League heute im Fernsehen
21 Uhr, DAZN: Porto – Arsenal, Neapel – FC Barcelona
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⚽️ Martin Kind treibt sie alle in den Wahnsinn
Von Alex Steudel
Verrückte Dinge passieren in Deutschland. Zum Beispiel war ich am Montag gerade dabei, eine Meldung mit der Überschrift „Immer mehr ältere Menschen arbeiten über das Rentenalter hinaus“ zu lesen, als schon Martin Kind in meinem Fernseher auftauchte. Kind ist 79 Jahre alt, Hörgerätehersteller und der Übers-Rentenalter-hinaus-Arbeiter schlechthin.
Seine Hobbys: Tennis spielen, zu den 200 reichsten Deutschen gehören, die Bundesliga in den Wahnsinn treiben.
Dieser Mann ist ein Knaller, ich sage das ohne Sarkasmus. Alle denken gerade, dass bald Bundesligaspiele nach den Tagesthemen anfangen, und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis das DFB-Pokalfinale in Riad stattfindet, weil sich Kind kürzlich bei der (zweiten, dazu kommen wir noch) DFL-Abstimmung zur Investorenfrage der Anweisung seines Klubs Hannover 96 widersetzte und für einen Großinvestor votierte, was er weder bestätigen noch dementieren möchte.
Kein Wunder, mag ihn gerade keine Fankurve.
Ohne den Investor Kind, so viel Zeit muss sein, würde Hannover 96 übrigens kommenden Samstag in der Bezirksliga Hannover, Staffel 3, gegen den TSV Kolenfeld spielen und nicht um den Aufstieg in die erste Liga.
Der Mann ist eben Unternehmer durch und durch, das kann man ihm nicht vorwerfen. Er glaubt eher an die Regeln des freien Marktes als an Jahreshauptversammlungen von Bundesligavereinen. Ginge es nach Kind, dürfte jeder Klub selbst entscheiden, ob er ein Verein sein möchte oder ein Unternehmen, das jemandem gehört. Deshalb hassen ihn jetzt so viele Fußballtraditions-Fans, dass sogar RB Leipzig und Dietmar Hopp in Vergessenheit geraten.
In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ wurde Kind jedenfalls ordentlich in die Mangel genommen. Die Fan-Aktivisten im Studio (zu denen auch Journalisten gehörten, grübel) hatten gute Argumente, knacken konnten sie ihn nicht.
Das Verrückte an der ganzen Sache ist: Vermutlich lieben alle den Fußball gleich, doch jeder zeigt es auf seine Weise. Die einen wollen Risiko mit der Hoffnung auf Fortschritt, die anderen, dass alles so bleibt, wie es am Anfang war.
Blöd ist nur, dass am Anfang des Fußballs England war, und da gab’s schon immer Investoren. Manchester United gehörte 1892 der Lancashire and Yorkshire Railway Company.
Auf der Insel wissen sie: Investoren sind das Lustigste beim Fußball. Schaut nur mal nach Sunderland, wo kürzlich der 26 Jahre alte Milliardärserbe Kyril Louis-Dreyfus den AFC gekauft und mit BWL-Erstsemester-Sprüchen zum Aufstieg geführt hat. Bessere Unterhaltung wird man in Deutschland nirgends finden, Hamburg natürlich ausgenommen.
Ja, uns entgeht so viel, weil wir nie Investoren hatten!
Also außer in Leipzig, Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim. Hab‘ ich wen vergessen? Hannover, Hertha BSC, Stuttgart?
Achtung! Beim aktuellen Showdown geht es aber nicht in erster Linie darum, ob die Bundesligaklubs 50+1 kippen und Investoren zulassen, sondern, ob alle 36 Erstligisten zusammen einen Großinvestor ins Boot holen sollen, der Karotten verteilt, die man doppelt und dreifach zurückgeben muss.
Wobei: Eigentlich habe ich das falsch formuliert. Die Frage, ob man das will, war schon geklärt, nämlich mit einer Antwort namens „Nein“. Nur legten die DFL-Bosse nach dieser ersten Abstimmung ein gewisses Desinteresse an der Entscheidung an den Tag und planten einfach weiter, als sei nichts passiert. Bis eben das richtige Ergebnis herauskam. Und zwar wahrscheinlich wegen Kind, den größten Rebellen des deutschen Fußballs nach Marco Reus, der einst jahrelang ohne Führerschein Auto fuhr.
Die Traditionalisten fordern nun eine Wiederholung der Abstimmung. Begründung: Die Regeln seien nicht eingehalten worden. Da ist was dran, und es deutet einiges darauf hin, dass es so kommen könnte. Witzig ist es aber auch. Weil viele Traditionalisten, die jetzt „Die Regeln!“ schreien, jedes Wochenende Böller und Bengalos in ihre Unterhosen stopfen und im Stadion zünden, was polizeilich verboten ist.
Was wird passieren? Eine neue Abstimmung finde ich gar nicht so abwegig, schließlich steht es 1:1 nach Abstimmungen, und im Fußball löst man so etwas gern mit Verlängerung. Ich bin schon gespannt, was dann rauskommt, überbewerten werde ich das Ergebnis nicht. Denn: Die nächste Investoren-Abstimmung ist immer die wichtigste.
Achtung, ganz neu: Der Steudel-Jahresrückblick!
Alle Kolumnen des Jahres 2023 gibt es jetzt als Buch-Jahresrückblick – plus nachträgliche Anmerkungen und WM in Katar. Titel: Und dann kam Harry Kane – Alles über das kuriose Fußball-Jahr 2023, 298 Seiten, 14,95 Euro: Hier bestellen! Wer fürs gleiche Geld ein signiertes Exemplar bevorzugt: Einfach eine Mail schreiben – an post@alexsteudel.de
⚽️ Was sonst noch so los ist
Steffen Baumgarts Amtsantritt beim Hamburger SV
Steffen Baumgart, bekennender HSV-Fan, ist Nachfolger von Tim Walter beim Hamburger SV. Damit mag für Fußball-Romantiker zusammen kommen, was zusammen gehört. Doch allein Romantik wird den einstigen Bundesliga-Dino nicht zurück nach oben führen, denn die Aufgabe ist komplex. Ein Kommentar von kicker-Reporter Sebastian Wolff. Zum Video: Hier klicken!