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Proteste bis zum Abwinken: So macht Fußball keinen Spaß
Zuschauer, Trainer, Spieler: Überall schlechte Laune wegen des Streits um den geplanten Investoreneinstieg - und es wird immer schlimmer
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Tennisbälle, Flummis, Harry-Potter-Poster, Modellflugzeuge, Bonbons, ferngesteuerte Autos – in deutschen Stadien sah’s am Wochenende aus wie im unaufgeräumten Kinderzimmer eines Zehnjährigen. Was insofern passt, dass die Fußballfans ja auch genauso sauer auf ihre erziehungsberechtigten DFL-Bosse sind wie durchschnittliche Töchter und Söhne 24/7 auf ihre Eltern.
Protest und schlechte Laune überall. So macht Fußball keinen Spaß mehr.
Was kommt noch? Die Fans werden von Woche zu Woche kreativer, ihre Wut wegen des geplanten Investoren-Einstiegs wird immer größer. Ich fürchte, dass es demnächst eskaliert und die Zuschauer richtig geschmacklos werden, zum Beispiel könnten HSV-Trikots auf den Rasen geschmissen werden.
Das Ganze hat inzwischen lebensqualitätverändernde Auswirkungen.
Bundesligabegegnungen, die, seit es die neuen Nachspielzeit-Auslegungen gibt, ohnehin absurd lange dauern, müssen wegen der ständigen Aufräumarbeiten neuerdings zusätzlich verlängert werden. Bald erreichen Spiele das Ausmaß eines Superbowl-Endspiels, und in den Tennisballpausen tritt dann Helene Fischer auf.
Das 15.30-Uhr-Spiel Darmstadt gegen Stuttgart etwa endete am Samstag erst um kurz vor 18 Uhr, allein die erste Halbzeit dauerte 70 Minuten. Der Kicker vermerkte in seinem Liveticker: „45′ +25: Anton klärt den Standard aus der Gefahrenzone.“
Unsere Stadien sind inzwischen wirklich eine einzige Gefahrenzone.
Das Rumgeier der Fußballfunktionäre wird derweil größer, der Fall zusehends komplizierter, weil niemand so richtig durchblickt und keiner weiß, wer eigentlich was will oder nicht, aber täglich interpretieren die Menschen immer mehr in die Sache hinein.
Die Einzige, die noch nichts dazu gesagt hat, ist Sahra Wagenknecht, glaube ich.
Am Samstag gaben die DFL-Chefs Marc Lenz und Steffen Merkel der Süddeutschen Zeitung ein Interview, in dem sie sich zu erklären versuchten. Aber um das verstehen zu können, was sie da sagten, bräuchte man eine von mindestens zwei Quantencomputern angetriebene Dechiffriermaschine, die sogar Donald Trumps Gedanken klar formulieren könnte.
Und irgendwie überträgt sich das alles inzwischen auch auf die Trainer und Spieler: Sie werden nervöser und reden wirr. Fürths Trainer Alexander Zorniger verstieg sich in die Behauptung, Berufssportler könnten keine Pausen während des Wettkampfs händeln, das sei doch bekannt. Eine Aussage, die vermutlich zur Absage der kommenden NFL-Saison führen wird, wenn sie sie in den USA lesen.
Dortmunds Niclas Füllkrug wiederum schimpfte nach dem 1:1 in Wolfsburg, so ein Spiel sei „kaum bewertbar“, weil es „ultra schwer“ sei, „so an Top-Leistung zu kommen“. Es sei „irgendwann mal gut“, meckerte BVB-Kapitän Emre Can, „wir leiden extrem darunter.“ Was mich an diesen Aussagen besonders fasziniert hat: Die beiden hatten offenbar komplett übersehen, dass das Ganze für die gegnerischen Spieler aus Wolfsburg genauso „ultra schwer“ war.
Bezeichnend ist übrigens auch, dass fünf der 33 Platzverweise dieser Saison allein am vergangenen 22. Spieltag passierten.
Was jetzt? „Proteste aushalten!“, sagen die einen, „Immer weiterprotestieren!“ die anderen. Und unter den 36 Profivereinen wächst der Wunsch, noch mal darüber abzustimmen zu lassen, ob man nun Pump oder Party haben, ob die Liga einen Milliardeninvestor ins Haus lassen will oder nicht.
So kann man das natürlich auch machen: Einfach so lange Stimme abgeben, bis einem das Ergebnis passt.
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