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Mode-Erscheinungen für die Kreisliga

Was die Profis vormachen, ahmen die Amateure gerne nach. Sogar den größten Quatsch

|8. Februar 2024|
Mode-Erscheinungen für die Kreisliga
Mode-Erscheinungen für die Kreisliga

Foto: Imago / MIS

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Wir müssen reden! Über Sportkleidung. Und über bedenkliche Trends. Wir beim FC Internationale Berlin führen gerade Verhandlungen mit mehreren Sportartikelherstellern. Die Details tun hier nichts zu Sache. Aber es tauchen interessante Geschichten auf. Auf meine Frage, ob Stutzen neuerdings extra eng gefertigt werden, gab es ausweichende Antworten.

Dabei ist ein eindeutiger Trend erkennbar. Ein Hersteller hat sogar eine kleine Umfrage unter Profis gemacht. Ergebnis: Stutzen werden neuerdings abgeschnitten. Und noch absurder: Sie werden hinten an der Wade absichtlich mit Löchern versehen. Geht‘ s noch?

Abgesehen von der im Profifußball mal wieder fehlenden Nachhaltigkeit, stelle ich mir vor, wenn das im Amateurfußball passierte. Jeder Schatzmeister würde durchdrehen. Ausgeschlossen ist es deswegen allerdings nicht.

Eigenartige Gewohnheiten gibt es seit Jahren, in der Regel als Trends verkauft. Wer erinnert sich nicht an die Nasenpflaster, die auch in den Kreisligen Einzug hielten? Das angeblich gegen Schnarchen helfende Utensil wurde von American Footballern kultiviert und hielt schließlich Einzug in den Profifußball.

Olaf Marschall wurde gar als „das Gesicht des Nasenpflasters“ tituliert. Auch in den unteren Ligen schworen vereinzelt Spieler darauf, mit dem Pflaster besser und länger laufen zu können. Der ästhetische Spuk war schneller vorbei, als er gekommen war.

Anders verhält es sich mit Unterziehhosen, die Muskelverletzungen vorbeugen sollen. Ich bin kein Mediziner, aber wäre vernünftiges Warmmachen nicht sinnvoller? Mal davon abgesehen, bevorzuge ich Oberschenkelbandagen. Vergesse ich sie einmal, merke ich das allerdings erst hinterher. Die Wunderwirkung der altbekannten Pferdesalbe beschrieb ich bereits in der Kolumne „So weit die Füße tragen“.

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Schiedsrichter sind angehalten, die Farbe der Unterziehhosen zu kontrollieren. Weicht diese von der Farbe der Sporthose ab, muss der Sportler entweder ein passendes Modell unterziehen oder ohne klarkommen. Kritiker witzeln, die jungen Schiris würden zwar Zweikämpfe oder Abseits nur mit Mühe beurteilen können, bei der Farbe der Hosen aber groß rauskommen.

Was ihnen sicher nicht gerecht wird. Aber der Schiedsrichterbeobachter, der bei seiner Beurteilung über eine Farbkombination wie bei der Arjen-Robben-Gedächtnis-Unterhose hinwegsieht, muss erst gefunden werden. Meine Kollegen der Hartplatzhelden berichten aus anderen Fußballkreisen Ähnliches.

Wieder im Kommen sind möglichst schmale und kurze Schienbeinschoner, die man eigentlich kaum so nennen kann. Bei uns auf dem Dorf kamen die ersten Exemplare um 1970 auf den Markt, wenn ich mich richtig erinnere. Damals waren ein paar Holzstäbe in Kunststoffplatten eingelassen, die man dann unter den Stutzen schob. Ich erinnere mich an eine schwere Verletzung des Mittelstürmers unseres Herrenteams. Sein Gegenspieler hatte die Stäbe einfach durchgetreten. Und das Schienbein gleich mit.

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Eigentlich sollte das Nasenpflaster gegen das laute Schnarchen helfen. Aber über Umwege fand es den Weg in den Fußball und wurde kurzfristig salonfähig.

Es ging damals rustikaler als heute zu. Stürmer erfuhren weniger Schutz. Ein beliebter Spruch der Trainer damals war: „Du gehst mit deinem Mann überall hin und stoppst ihn mit allen Mitteln. Wenn er aufs Klo muss, gehst du mit!“ Zwar ging nie jemand mitten im Spiel raus, aber der Spruch „mit allen Mitteln“ wurde in der Regel wörtlich genommen.

Später kamen Schienbeinschoner mit Vollplastikschutz auf. Ich hatte welche in Rot mit weißem Kunststoff als Dämmung, sie bedeckten den ganzen Unterschenkel. Tatsächlich sah ich vor drei Jahren eben dieses Modell bei einem Mitspieler wieder. Er muss die Dinger entweder aus dem Fußballmuseum entwendet oder 40 Jahre lang aufgehoben haben. Um sie nun im hohen Alter endlich wieder einsetzen zu können.

Mit den Jahren gab es immer besseren Schutz, sogar für die Knöchel. Das ist heute auf dem Rückzug. Gefragt ist wieder das Modell Streichholzschachtel oder Bierdeckel, so wie es in den 70er Jahren Paul Breitner und heute Florian Wirtz bevorzugt. Ich sehe dem Jungen wirklich gern zu, aber ich habe immer ein wenig Angst um seine Knochen.

Schienbeinschoner sind vorgeschrieben, auch bei uns Oldies. Aber mit steigendem Alter sinkt die Gedächtnisleistung. Bisher konnte ich mich mit meinem Vorschlag, Tebonin als Trikotsponsor zu akquirieren, noch nicht durchsetzen, aber die Einsicht wächst.

Auf jeden Fall werden Schienbeinschoner gern mal zu Hause vergessen. Neulich steckte sich jemand stattdessen zwei Zigarettenschachteln unter die Stutzen. „Rauchen fördert das Verkalken von Aterien und lässt die Haut früher altern!“
Helme hingegen habe ich in den unteren Ligen noch nicht gesehen. Petr Cech trug ihn nach seiner schweren Schädelverletzung fast wie ein Markenzeichen.

Dabei fühlte er sich damit vor allem sicherer. Man kann sich vorstellen, was sich im Kopf abspielte, dennoch blieb er Weltklasse. Auch der eisenharte Verteidiger Klaus Gjasula schwört seit einem Jochbeinbruch auf einen Helm und fühlt sich damit befreiter. Wer weiß, welche erlaubten Spielräume es für ein besseres Kopfballspiel noch geben mag?

Torhüter schwören seit einigen Jahren auf kurzärmlige Shirts, die sie anstelle von am Ellenbogen gepolsterter Langarmtrikots tragen, gern in Feuerwehr-Rot oder ADAC-Gelb. Keine Ahnung, ob sie glauben, damit martialischer auszusehen. Falls ja, funktioniert das nicht immer, wie in der letzten Woche im DFB-Pokal wieder anschaulich zu sehen war.

Ich bin immer wieder verblüfft, dass Torhüter in den unteren Ligen selbst auf schlechtesten Kunstrasenplätzen kurze Klamotten tragen, auch an den Beinen. Wahrscheinlich bin ich einfach zu weich, aber muss ich mal ins Tor – was durchaus vorkommt – trage ich auch die Hose gepolstert und habe hinterher dennoch Abschürfungen. Zumindest wenn die Abwehr auf unserem runtergerockten Kunstrasen nicht dichthält, was ebenfalls durchaus vorkommt.

Ich bin gespannt auf den nächsten Trend. Vielleicht werden Trikots zwecks Lüftung aufgeschnitten. Oder es werden Schuhe in der Hoffnung auf mehr Schussgenauigkeit gelocht. Wie wäre es mit speziellen Sportbrillen zur Vergrößerung der Wahrnehmungsfläche? Was immer es sein wird. Es wird vorübergehen.