106 Profifußballerinnen blamieren alle Männer

In einem offenen Brief protestieren sie gegen den Fifa-Sponsorendeal mit den Saudis: "Mittelfinger für den Fußball" - sonst hört man kaum was

|23. Oktober 2024|
106 Profifußballerinnen blamieren alle Männer
106 Profifußballerinnen blamieren alle Männer

Protest gegen Fifa: die Deutsche Paulina Krumbiegel (Juventus Turin). Foto: Imago/Sportimage

Wenn es nicht so unpassend wäre, würde ich schreiben: Eier, die Frauen haben Eier!

Ich spreche von Fußballerinnen. 106 weibliche Profis aus 24 Ländern haben den Weltverband Fifa in einem Brief aufgefordert, den Sponsorenvertrag mit dem saudi-arabischen Ölkonzern Aramco zu beenden. Das ist fast schon nicht mehr sprichwörtlich todesmutig. Die Saudis hätten „Milliarden für Sport-Sponsoring ausgegeben, um vom brutalen Ruf des Regimes in Bezug auf die Menschenrechte abzulenken“, lautet die Begründung. Die Zusammenarbeit sei „wie ein Mittelfinger für den Fußball der Frauen“.

Ich kann nur sagen: Hut ab!

Natürlich würde kaum ein männlicher Fußballprofi auf den Gedanken kommen, so einen Brief zu verschicken. Viele Spieler würden sich eher fragen: Wieviel Gehalt entgeht mir, wenn ich das unterscheibe? Und was soll das Wort „Frauenrechte“ überhaupt bedeuten – sollte es nicht „Rechtsverteidigerin“ heißen?

Aber der Mann muss ja nicht ein langes Überkleid anziehen, wenn er auf die saudische Straße will, und er braucht auch nicht die Genehmigung seiner Ehefrau, wenn er verreisen möchte.

Nein, der fußballspielende Mann ist ganz und gar unpolitisch, wenn’s dem Gehaltskonto nützt. Er beklagt sich allenfalls über zu viele Einsätze, die ihm für seine x Millionen Gehalt abverlangt werden.

Mimi-mimi-mimi. Zu viele Spiele sind die Männergrippe des Fußballs.

Der Steudel! bei Fever Pit’ch
Für den Newsletter schreibt Alex Steudel erfrischende Kolumnen.

Die Frauen legen derweil ihre Finger in die echte Wunde. Wie mutig und wie großartig. Unter anderem Nationalspielerin Paulina Krumbiegel (die einzige Deutsche) sowie Ex-Bayerntorhüterin Erin Nayler haben den Brief unterzeichnet.

Der „albtraumhafte“ Vertrag mit dem größten Ölkonzern der Welt werfe die Fortschritte und Entwicklungen des Frauenfußballs in den vergangenen Jahren „weit zurück“, schreiben sie.

Es ist, als würde man zum Schutz der Rinder einen Sponsoringvertrag mit einem Bolzenschussgerätehersteller abschließen. Die Fifa macht eben leider alles für/zu Geld. Das Prinzip: Wasser predigen, Château Lafite-Rothschild trinken.

Man muss dazu wissen: Saudi-Arabien ist das Malaysia der Frauenrechte. Malaysia: Nummer 132 der Fifa-Weltrangliste. Saudi-Arabien: Nummer 132 im Gleichstellungsranking des Weltwirtschaftsforums.

Sind Frauen also mutiger als Männer? Scheint so.

Der Weltverband Fifa hatte die Partnerschaft mit Aramco (gehört zu über 90 Prozent dem saudi-arabischen Staat) im April verkündet. Sie gilt für die Männer-WM 2026 und die Frauen-WM 2027. Von männlichen Fußballprofis habe ich seither wenige Proteste vernommen. Ziemliche Blamage.

Klar, Männer haben auch mehr zu verlieren, frag nach bei Cristiano Ronaldo oder Neymar. Welche Folgen wird der Brief der Frauen haben? Natürlich keine. Wenn der Wind gut steht, kann man das Lachen von Fifa-Boss Gianni Infantino bis nach Frankfurt hören.

Jetzt zugreifen: Das Steudel-Kolumnenbuch!

Alle Kolumnen des letzten Jahres gibt es auch als Buch. Titel: Und dann kam Harry Kane – Alles über das kuriose Fußball-Jahr 2023, 298 Seiten, 14,95 Euro: Hier bestellen! Wer fürs gleiche Geld ein signiertes Exemplar bevorzugt: Einfach eine Mail schreiben – an post@alexsteudel.de